In einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung zweier Einkommensteuerbescheide hat das FG Münster mit Beschluss vom 3.6.2022 (Az. 9 V 1001/22 E) zur Frage der Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und vGA in Fortführung der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere entschieden,
– dass die private Mitbenutzung eines Motorrads durch den Arbeitnehmer einer GmbH als eine dem Alleingesellschafter nahestehende Person (im Streitfall der Vater des Gesellschafters) und ohne eine klare und eindeutige schriftliche Nutzungsvereinbarung als vGA zu beurteilen ist.
– Diese vGA führe zu Einkünften des Alleingesellschafters und gerade nicht zu Einkünften des Arbeitnehmers aus nichtselbständiger Arbeit.
Im konkreten Streitfall war der Antragsteller (Stpfl.) Geschäftsführer der X-GmbH (Betrieb von Kurierdiensten), deren Alleingesellschafter sein Sohn war. Mit dem Antragsteller war ein Arbeitsvertrag für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer/innen bis 450 € geschlossen worden. Im Zuge einer Lohnsteueraußenprüfung bei der X-GmbH wurde festgestellt, dass die GmbH über zwei Motorräder verfügte, die vom Antragsteller privat genutzt worden seien; insoweit sei zusätzlicher Arbeitslohn zu erfassen. Der Antragsteller argumentierte, dass die private Nutzung der Motorräder weder im Arbeitsvertrag noch in anderen Vereinbarungen schriftlich erlaubt worden sei, so dass das FA für die private Benutzung beweispflichtig sei, dieser Beweis sei aber nicht gelungen. Dagegen führt das FA aus, dass der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stünden, auch tatsächlich privat genutzt werden würden.
Das FG Münster ist dem Aussetzungsantrag mit den nachstehenden Überlegungen gefolgt, die auch in anderen Fällen der Abgrenzung zwischen Arbeitslohn einerseits und vGA andererseits relevant sein dürften:
– Das FA sei nach summarischer Prüfung zu Recht von einer privaten (Mit-)Nutzung der Motorräder in den Streitjahren ausgegangen.
– Ernstlich zweifelhaft sei jedoch, ob deshalb Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 19 EStG) des Antragstellers vorliegen würden oder aber vGA gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG an den Sohn des Antragstellers als Alleingesellschafter der X-GmbH.
– Überlasse der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen oder ein Motorrad im Rahmen eines steuerlich anzuerkennenden Dienstverhältnisses zur privaten Nutzung, führe das nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers.
– Liege hingegen eine vertragswidrige Nutzung oder eine Nutzung ohne eine fremdübliche Vereinbarung durch den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder einer diesem nahestehenden Person vor, könne dies zu einer vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG beim Gesellschafter führen.
Im Streitfall bestehe ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Motorräder auch privat genutzt worden seien. Die Antragsteller hätten diesen Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung nicht entkräftet.
Schlussendlich erscheine es jedoch ernstlich möglich, dass in Bezug auf die anzunehmende private Nutzung der Motorräder von einer vGA auszugehen sein könnte, die nicht dem Antragsteller, sondern dem Alleingesellschafter (also dem Sohn) zuzurechnen wäre. Es bestünden gewichtige Gründe für die Annahme, dass die Nutzungsüberlassung nach den Maßgaben des formellen Fremdvergleichs gesellschaftlich veranlasst gewesen und bereits deshalb als vGA zu beurteilen sei – und die Nutzungsüberlassung daher zu Einkünften des Alleingesellschafters (nicht des Antragstellers) führt.
Hinweis:
Das FG Münster weist ergänzend darauf hin, dass selbst im Falle einer Nutzungsvereinbarung mit dem Antragsteller evtl. Zweifel an der Fremdüblichkeit bestanden hätten. Denn der BFH habe Pkw-Überlassungen bei einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis unter Ehegatten als nicht fremdüblich beurteilt – diese Rechtsprechung könne mglw. auch auf Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften mit einem geringen Gesamtvergütungsanspruch übertragen werden. In der Praxis sollte aus steuerlicher Sicht jeweils geprüft werden, ob entsprechende Nutzungen bzw. Nutzungsmöglichkeiten vertraglich vereinbart bzw. ausgeschlossen werden können.