Mit Urteil vom 14.11.2023 (Az. IX R 3/23) hat sich der BFH mit der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bei Veräußerungstatbeständen gem. § 17 EStG befasst und in Bestätigung seiner Rechtsprechung entschieden,
– dass der Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG dem Teileinkünfteverfahren und Teilabzugsverbot (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1, § 3c Abs. 2 Satz 1 und 7 EStG) unterliegt.
– Verluste aus dem Ausfall einer in der Krise der Kapitalgesellschaft stehen gelassenen Finanzierungshilfe des Gesellschafters (Darlehen oder Bürgschaft) seien, so der BFH, nur in Höhe des zum Zeitpunkt des Stehenlassens zu bestimmenden gemeinen Werts den Einkünften aus § 17 Abs. 1 und 4 EStG und im Übrigen den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zuzuordnen.
Im konkreten Streitfall hatte der Stpfl. und Revisionsbeklagte 50 % der Geschäftsanteile an einer GmbH gehalten, der er ein Darlehen gewährte; zudem verbürgte er sich für deren Verbindlichkeiten gegenüber mehreren Banken. Im Streitjahr 2016 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Stpfl. aus den Bürgschaften in Anspruch genommen. Der Insolvenzverwalter teilte im April 2016 mit, der Stpfl. werde für seine Rückgriffsforderungen keine Zahlungen aus der Masse erhalten. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr begehrte der Stpfl. den Abzug eines Auflösungsverlusts gem. § 17 Abs. 4 EStG i.H.v. rd. 620 T€. Neben den Anschaffungskosten für die GmbH-Geschäftsanteile (300 T€) machte er insbesondere den Verlust aus dem Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf Grund von drei Bürgschaften geltend.
Das FA erkannte – verkürzt dargestellt – den Verlust aus den Bürgschaften nicht vollumfänglich an, das FG gab der dagegen gerichteten Klage aber statt. Der BFH hat die Entscheidung des FG (sowohl aus verfahrensrechtlichen als auch aus sachlichen Gründen) aufgehoben und zu den sachlichen Gründen ausgeführt, dass das FG einen Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG in voller Höhe zuerkannt und dabei die gesetzlichen Vorgaben zum Teileinkünfteverfahren (Teilabzugsverbot) nicht berücksichtigt habe. Diese Vorgaben habe das FG nicht beachtet, als es als Auflösungsverlust nicht etwa 60 % der Aufwendungen des Stpfl., sondern 100 % zuerkannt habe.
Der BFH hat aber insbesondere auch die Frage aufgeworfen, ob für das Streitjahr dem Grunde nach ein Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG überhaupt abziehbar war. Gegebenenfalls könne für das Streitjahr noch gar kein Auflösungsverlust berücksichtigt werden, wenn nämlich der gemeine Wert des dem Gesellschafter zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens noch gar nicht feststehe. Darüber hinaus ist nun im weiteren Verfahren durch die Vorinstanz zu klären, inwiefern die gewährten Finanzierungshilfen eigenkapitalersetzend waren. Gegebenenfalls sind noch Feststellungen dazu erforderlich, welchen tatsächlichen Wert der Rückzahlungs- bzw. Ausgleichsanspruch des Gesellschafters zum Zeitpunkt des Stehenlassens der jeweiligen Finanzierungshilfe hatte.
Hinweis:
Hervorzuheben ist also auch bei diesem Urteil, dass der BFH in einem ersten Schritt grundsätzlich prüft, ob der Verlust überhaupt für das „richtige“ Jahr geltend gemacht wird. Für die Praxis wird insoweit empfohlen, etwaige Auflösungsverluste weiterhin möglichst frühzeitig geltend zu machen. Wird der Auflösungsverlust tatsächlich „zu früh“ geltend gemacht (weil dessen Höhe noch nicht feststeht), verliert der Stpfl. das Einspruchs- und ggf. das anschließende Klageverfahren, kann aber i.d.R. den Verlust in einem späteren Veranlagungszeitraum noch geltend machen. Wird der Verlust hingegen „zu spät“ geltend gemacht, scheidet die Verlustberücksichtigung dann aus, wenn die Steuerbescheide bereits bestandskräftig sind.