a) Ausgangspunkt: Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) wird im Wesentlichen die Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt. Diese verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zur Anpassung ihrer steuerlichen Regelungen zur Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung, zur Hinzurechnungs-besteuerung sowie zur Neutralisierung von Besteuerungsinkongruenzen im Zusammenhang mit hybriden Gestal-tungen, soweit diese nicht bereits dem von der ATAD vorgegebenen Mindeststandard entsprechen.
Im Detail ist diese Materie sehr komplex. Im Folgenden stellen wir Ihnen daher nur die Grundzüge vor, um aufzuzeigen, welche Fallkonstellationen sich auf geänderte Rahmenbedingungen einstellen müssen. Vereinfacht dargestellt sind folgende Unternehmen betroffen:
- Anteilseigner einer inländischen Kapitalgesellschaft, die in das Ausland wegziehen,
- inländische Gesellschaften mit ausländischen Tochtergesellschaften und
- inländische Gesellschaften mit einer ausländischen Muttergesellschaft.
b) Hinzurechnungsbesteuerung
Zielsetzung der sog. Hinzurechnungsbesteuerung ist die Bekämpfung niedrigbesteuerter Einkünfte grenzüber-schreitend tätiger Unternehmen. Unter bestimmten Bedingungen werden im Ausland niedrig besteuerte Gewinne einer weiteren Besteuerung im Inland unterworfen. Grundsätzlich werden nur sog. „passive Einkünfte“ einer auslän-dischen verbundenen Gesellschaft erfasst. Abgegrenzt wird dies durch einen im Gesetz verankerten Aktivkatalog. So werden bspw. Zinsen als passive Einkünfte eingestuft. Eine „Niedrigbesteuerung“ im Ausland ist nach den gesetzlichen Vorgaben immer dann gegeben, wenn die dortige Besteuerung 25 % unterschreitet.
Hinweis:
Betroffen von der Hinzurechnungsbesteuerung können alle inländischen Unternehmen sein, die ausländische Unter-nehmen alleine oder gemeinsam mit anderen beherrschen. In diesen Fällen ist zum einen zu prüfen, ob passive Ein-künfte in diesem Sinne vorliegen und zum anderen, ob diese einer „niedrigen“ Besteuerung im Ausland unterliegen.
c) Wegzugsbesteuerung
Bei der sog. Wegzugsbesteuerung geht es um die Sicherung des Besteuerungsrechts Deutschlands an den Anteilen eines Gesellschafters einer inländischen Kapitalgesellschaft (KapGes). Problematisch ist dies für den Fiskus dann, wenn der Gesellschafter einer KapGes in das Ausland verzieht und dann möglicherweise das Besteuerungsrecht nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen nicht mehr Deutschland, sondern dem ausländischen Wohnsitzstaat zusteht.
Im Grundsatz sind in diesen Konstellationen die stillen Reserven in den Anteilen des wegziehenden Gesellschafters zu versteuern, was hohe Belastungen nach sich ziehen kann. Die dann fällige Steuer kann ggf. gestundet werden. Bislang war bei einem Wegzug in ein anderes EU-Land eine unbefristete und zinslose Stundung möglich; erst ein weiterer Umzug in ein Nicht-EU-Land oder der Verkauf der Anteile löste die Fälligkeit der Steuer aus. Insoweit ist nun eine deutliche Verschärfung eingetreten und es wird nicht mehr zwischen Wegzug in ein EU/EWR-Land einerseits und in ein Drittland andererseits unterschieden. Für alle Fälle wird die Möglichkeit einer Ratenzahlung der Steuer über sieben Jahre (ggf. Erweiterung um zwei Jahre) gewährt, die zinslos ist. Im Grundsatz sind Sicherheitsleistungen vorgesehen.
Eine Entlastung bieten die (mit der Neuregelung erweiterten) Möglichkeiten im Fall einer Rückkehr nach Deutschland. So kann unter bestimmten Voraussetzungen wie insbes. dem Fortbestand des Anteilsbesitzes und einer Rückkehr nach Deutschland innerhalb von sieben Jahren die festgesetzte Steuer rückwirkend entfallen. Wird eine durchgehende Ab-sicht zur Rückkehr nachgewiesen, soll diese Frist auf Antrag um max. fünf, also auf insgesamt zwölf Jahre verlängert werden können.
Hinweis:
Diese Änderungen gelten erstmals für Wegzugsfälle ab dem Jahr 2022. Bei in der Vergangenheit liegenden Fällen bleiben bestehende Stundungen bestehen. Insoweit kann bei Wegzug in ein EU/EWR-Land dieser noch in 2021 günstiger sein als erst in 2022.
Handlungsempfehlung:
Gerade bei Familien-Kapitalgesellschaften mit einem größeren Gesellschafterkreis müssen solche Fragen eines Wegzugs eines Gesellschafters in das Ausland stets steuerlich geprüft werden. Entsprechendes gilt, wenn Anteile ins Ausland vererbt oder verschenkt werden.
d) Verhinderung hybrider Gestaltungen
Daneben werden die „Anti-Hybrid-Regeln“ der EU-Richtlinie umgesetzt. Verhindert werden sollen Fälle, bei denen auf Grund einer unterschiedlichen Einstufung in verschiedenen Staaten Besteuerungslücken entstehen – durch einen doppelten Abzug oder einen Abzug der Zahlung bei gleichzeitiger steuerlicher Nichtberücksichtigung des korres-pondierenden Ertrages. Als Instrument erfolgt eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs, wenn Aufwendungen in einem Staat abgezogen werden können, ohne dass die entsprechenden Erträge im anderen Staat der Besteuerung unterliegen. Betroffen sind insbes. hybride Finanzierungsformen, die in einem Staat als Eigenkapital und in dem anderen als Fremdkapital eingestuft werden.
Hinweis: Die Neuregelung ist äußerst komplex und daher in der Anforderung schwierig. Betroffen sind insbesondere in einen internationalen Konzern eingebundene Unternehmen, wenn konzernweit Finanzierungen, Lizenzvereinbarungen o.Ä. bestehen. Es wird eine ausführliche Dokumentation erforderlich werden.