Für Unternehmer und Freiberufler

Bedingungen für eine tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis

22. Juni 2020

Bei Veräußerung einer freiberuflichen Praxis können unter bestimmten Bedingungen bei der Einkommensteuer ganz erhebliche Steuersatzermäßigungen (nur 56 % des ansonsten anzuwendenden Durchschnittssteuersatzes) in Anspruch genommen werden. Voraussetzung ist allerdings insbesondere, dass der Stpfl. das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist.


Nach der langjährigen Rechtsprechung ist für die tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis zusätzlich Bedingung, dass der Stpfl. die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner bisherigen Tätigkeit entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen. Wann eine „definitive“ Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vorliegt, hängt aber jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine starre zeitliche Grenze, nach der die Tätigkeit steuerunschädlich wieder aufgenommen werden kann, besteht nicht. Dementsprechend sei auch keine „Wartezeit“ von mindestens drei Jahren einzuhalten. Dies bestätigt aktuell der Bundesfinanzhof mit Beschluss v. 11.2.2020 (Aktenzeichen VIII B 131/19). Vielmehr führt das Gericht aus, dass je nach den Umständen des Einzelfalls ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren ausreichend sein kann.


Weiterhin bestätigt der Bundesfinanzhof, dass es grundsätzlich unschädlich ist, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird. Dies wird in der Praxis vielfach zur Überleitung von Mandaten gerade aus Sicht des Erwerbers sinnvoll sein.


Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung nicht entgegen, wie das Gericht bestätigt. Eine solche geringfügige Tätigkeit liegt regelmäßig vor, wenn die auf sie entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten. Dass der bisherige Freiberufler im Rahmen dieser geringfügigen Tätigkeit auch neue Mandate betreut, schließt entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nach Ansicht des Bundesfinanzhofs das Vorliegen einer begünstigten Praxisveräußerung nicht automatisch aus.


Handlungsempfehlung:


Stets ist der Einzelfall sorgfältig zu prüfen und anzuraten ist eine möglichst exakte Dokumentation des Geschehensablaufs.

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