Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a EStG führen, außer Ansatz. Veräußerungsgewinn i.S.v. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG ist nach Satz 2 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt. Betreffend die in § 8b KStG geregelten Begriffe des Veräußerungspreises und der Veräußerungskosten kann auf die Definition des § 17 EStG zurückgegriffen und die dazu ergangene Rechtsprechung zu
Grunde gelegt werden. Danach werden nach ständiger BFH-Rechtsprechung die Veräußerungskosten von den laufenden Betriebsausgaben danach abgegrenzt, ob ein Veranlassungszusammenhang zu der Veräußerung besteht.
Vor diesem Hintergrund ist nun der BFH-Beschluss vom 4.1.2022 (Az. I B 83/20) zu sehen, mit dem sich der BFH mit der Einbeziehung der Ergebnisse anderer Geschäfte in die Veräußerungskosten i.S.d. § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG befasst hat. Im konkreten Streitfall hatte eine in 2006 gegründete Kapitalgesellschaft geklagt, die (sehr vereinfacht dargestellt) im Jahr 2007 einen Verlust aus der Veräußerung von Wandelanleihen erlitten hatte und diesen Verlust steuerlich wirksam werden lassen wollte. Zuvor hatte die Stpfl. in 2007 zwei Investitionen in Wandelschuldverschreibungen getätigt (unter Einschaltung mehrerer Zwischengesellschaften), die gegenläufig wirkten und sich in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis neutralisierten. Steuerlich erklärte die Stpfl. gleichwohl einen Verlust von rd. 72 Mio. € aus den Geschäften, da sie nur den Gewinn aus dem Verkauf der Anteile an der einen Gesellschaft als nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG steuerfrei ansah. Den entstandenen steuerlichen Verlust aus der Veräußerung von Wandelanleihen nutzte die Stpfl., um den bei ihr im Jahr 2007 anfallenden Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf eines Flugzeugs i.H.v. rd. 56 Mio. € steuerlich auszugleichen.
Das FA kam (verkürzt dargestellt) zu der Würdigung, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang zwischen den beiden Käufen der Wandelschuldverschreibungen (und weiteren Darlehensverträgen) bestanden habe, so dass die Geschäfte in ihren Auswirkungen zusammen zu betrachten und die Verluste aus dem einen Darlehensgeschäft als Veräußerungskosten des nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG steuerfreien Erlöses aus dem Veräußerungsgeschäft des Anteilsbestands anzusehen seien. Beide Wandelanleihen könnten nicht getrennt voneinander gesehen werden, da eine Erhöhung des einen Darlehens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit automatisch eine Minderung des Darlehens gegenüber der anderen Gesellschaft nach sich gezogen hätte. Darüber hinaus, so das FA, sei die von der Stpfl. gewählte Gestaltung missbräuchlich und dürfe daher der Besteuerung nach § 42 Abs. 1 AO nicht zu Grunde gelegt werden, da die gewählte Gestaltung in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert worden sei und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erwiesen habe.
Das Hessische FG (die Vorinstanz) hatte dieses Ergebnis bestätigt: Die Auswirkungen aus den beiden gegenläufigen Geschäften mit den Wandelschuldverschreibungen seien steuerlich nicht zu berücksichtigen, da vorliegend beide Geschäfte so aufeinander abgestimmt und derart miteinander verknüpft seien, dass beide Geschäfte nur in ihrer Gesamtheit einen wirtschaftlichen Sinn ergeben würden. Mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei gewährleistet gewesen, dass ein künftig entstehender Veräußerungsgewinn aus einer Anlageveräußerung durch einen entsprechend gleichhohen Verlust aus der Veräußerung der Wandelanleihe kompensiert würde. Im Übrigen sei auch das Vorliegen einer unangemessenen Gestaltung i.S.d. § 42 AO zu bejahen.
Da das FG die Revision nicht zugelassen hatte, hat die GmbH eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, die der BFH aktuell als unbegründet zurückgewiesen hat, insbesondere da er keine sog. Divergenz zu anderen Urteilen erkennen konnte. Es wird zudem ausgeführt, dass zum Vorliegen eines Veranlassungszusammenhangs zwischen den einzelnen Geschäften nicht zwingend eine zu 100 % gegenläufige Korrelation der Geschäfte gegeben sein muss.
Hinweis: Dieser Beschluss vom 4.1.2022 liegt also auf der Linie der BFH-Rechtsprechung, der z.B. mit Urteil vom 8.3.2017 (Az. IX R 5/16, HFR 2017, 665) entschieden hatte, dass ein Gestaltungsmissbrauch dann angenommen werden kann, wenn ein Verkauf und (Wieder-)Kauf von Bezugsrechten gleicher Art und gleicher Stückzahl am selben Tag vorliegt und der Stpfl. insoweit kein Kursrisiko eingeht; ebenso dann, wenn Beteiligte durch zivilrechtlich mögliche Gestaltungen zwar wechselseitige Zahlungsverpflichtungen begründen, damit aber ihre jeweilige Position weder tatsächlich noch wirtschaftlich verändern (BFH v. 29.8.2007, IX R 17/07, BStBl II 2008, 502). Der Nutzung der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne durch Einbezug verschiedener Geschäfte setzt der BFH also Grenzen, die in der Praxis zu beachten sind.