Für GmbH-Gesellschafter und GmbH- Geschäftsführer

Berechnung der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG: Gestaltungsmissbrauch bei gegenläufigen Geschäften („wirtschaftliches Nullsummenspiel“)

11. Juli 2022


Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a EStG führen, außer Ansatz. Als Veräußerungsgewinn gilt nach der gesetzlichen Vorgabe der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt. Zu den Begriffen des Veräußerungspreises und der Veräußerungskosten kann (nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung) auf die Definition des § 17 EStG zurückgegriffen und die dazu ergangene Rechtsprechung zugrunde gelegt werden. Danach werden nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Veräußerungskosten von den laufenden Betriebsausgaben nicht danach abgegrenzt, ob sie in „unmittelbarer sachlicher Beziehung“ zu dem Veräußerungsgeschäft stehen, sondern danach, ob ein Veranlassungszusammenhang zu der Veräußerung besteht.





Vor diesem Hintergrund ist nun das aktuell veröffentlichte Urteil des Hessischen FG vom 21.10.2020 (4 K 1431/18, EFG 2022, 430) zu sehen, mit dem das FG festgestellt hat, dass





–  eine als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO zu beurteilende unangemessene Gestaltung dann vorliegt, wenn sich gegenläufige Geschäfte, zwischen denen ein Veranlassungszusammenhang besteht, in ihren wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen neutralisieren und sie sich in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis lediglich als formale Maßnahme darstellen,





–  bei Vorliegen eines konzernübergreifenden Gesamtplans die Geschäfte in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung auch konzernübergreifend zu betrachten und im Hinblick auf einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch zusammenfassend zu beurteilen sind,





–  dann, wenn im Rahmen eines solchen konzernintern verwirklichten Gesamtplans Anteilsveräußerungsgeschäfte verwirklicht werden, einem (möglicherweise) nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfreien Veräußerungsgewinn die steuerliche Anerkennung zu versagen sein kann, und





–  eigenkapitalähnliche Genussrechte i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Anteile i.S.v. § 8b KStG sind.





Im konkreten Streitfall hatte – sehr verkürzt dargestellt – eine einem Bankkonzern angehörende GmbH geklagt, die in den Jahren 2006 u. 2007 Gewinne aus der Veräußerung von eigenkapitalähnlichen Genussrechten erzielte, für die sie die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG begehrte. Der Erwerb der Genussrechte war jeweils durch konzerninterne Darlehensgewährungen finanziert worden, die zu Zinsaufwendungen i.H.d. Gewinne aus der Veräußerung der Genussrechte führten; diese Zinsaufwendungen sollten als abzugsfähige Betriebsausgaben in voller Höhe berücksichtigt werden. Durch diese Gestaltung sollte ein steuerlicher Verlust generiert werden. Unter Berücksichtigung aller Umstände habe, so das FG, insoweit bereits rein objektiv und ohne steuerrechtliche Korrekturen für die GmbH ein wirtschaftliches Nullsummenspiel vorgelegen. Es sei von einem Gesamtplan bestehend aus den Einzelschritten Kauf und späterem Verkauf der Genussrechte mit einem tatsächlich den Refinanzierungsaufwendungen im Haltezeitraum genau entsprechenden Veräußerungsgewinn auszugehen. Dieser habe (unter Berücksichtigung weiterer Konzerngesellschaften) zum Zweck gehabt, die Besteuerung etwaiger stiller Reserven aus von Töchtern (= Organgesellschaften) der GmbH vorgenommenen Anlageverkäufen (Flugzeuge) durch das Generieren von steuerfreien Einnahmen und abzugsfähigen Verlusten auf fremdfinanzierten Genussrechten auf der Ebene der GmbH (der Muttergesellschaft = Organträger) auszugleichen.





Da das FG die Revision nicht zugelassen hat, hat die GmbH eine Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) erhoben, die beim BFH unter dem Az. I B 16/21 anhängig ist.





Hinweis:





Angesichts der NZB ist die weitere Rechtsentwicklung aufmerksam zu beobachten. Dabei ist zu beachten, dass der BFH jüngst mit Beschluss v. 4.1.2022 (I B 83/20) in einem entsprechenden Sachverhalt gegenläufiger Geschäfte mit Wandelschuldverschreibungen eine NZB zurückgewiesen hatte, weil diese gegenläufigen Geschäfte so aufeinander abgestimmt und derart miteinander verknüpft gewesen waren, dass beide Geschäfte nur in ihrer Gesamtheit einen wirtschaftlichen Sinn ergeben hätten; insoweit dürfte die aktuelle NZB unter dem Az. I B 16/21 eher geringe Erfolgsaussichten haben.


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