Unter der Bauabzugssteuer versteht man den verpflichtenden Steuerabzug für Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Rechts von 15 % bei dem Bezug von Bauleistungen. Mit der Bauabzugssteuer will der Fiskus seine beim Bauunternehmen bestehenden Besteuerungsrechte sichern. Da der Fiskus in dieser Branche erfahrungsgemäß aber in nicht wenigen Fällen eine Besteuerung nicht sicherstellen kann, erfolgt zunächst die Belastung des die Bauleistung empfangenden Unternehmers. Dieser führt die Bauabzugssteuer an das Finanzamt ab und bescheinigt dies dem Bauunternehmen. Das Finanzamt rechnet den Abzugsbetrag auf die vom Bauunternehmen zu entrichtenden Steuern an. Ein Verzicht auf die Erhebung der Bauabzugssteuer erfolgt allerdings dann, wenn das Bauunternehmen dem Leistungsempfänger eine Freistellungsbescheinigung vorlegt oder bestimmte Freigrenzen nicht überschritten werden. Bauunternehmen können eine solche Freistellungsbescheinigung bei ihrem Finanzamt beantragen, welche immer dann erteilt wird, wenn der Steueranspruch nicht als gefährdet eingestuft wird. Insbesondere muss das Bauunternehmen seinen steuerlichen Pflichten nachkommen.
In der Praxis wird vielfach der weite Anwendungsbereich dieser Regelung nicht erkannt. Weiterhin hat die FinVerw aktuell ihre Äußerungen zur Auslegung dieser Vorschrift aktualisiert (Schreiben v. 19.7.2022, Az. IV C 8 – S 2272/19/10003 :002). Im Folgenden stellen wir die wesentlichen Grundzüge vor.
Abzugsverpflichtet sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (wie z.B. Städte und Gemeinden) sowie alle Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuergesetzes, also auch Kleinunternehmer, pauschalbesteuerte Land- und Forstwirte sowie Unternehmer mit steuerfreien Umsätzen (z.B. Vermieter, Ärzte). Die Verpflichtung zum Abzug betrifft Bauwerke nur dann, soweit sie unternehmerisch genutzt werden.
Beispiele:
Beispielsfall | Lösung |
Ein Bäcker lässt im Verkaufsraum seiner Bäckerei eine neue Ladeneinrichtung installieren. | Die Vergütung unterliegt dem Steuerabzug. |
Ein freiberuflich tätiger Journalist lässt die Fliesen im Badezimmer seiner zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung erneuern. | Die Vergütung unterliegt nicht dem Steuerabzug, obwohl es sich beim Leistungsempfänger um einen Unternehmer handelt, denn die Bauleistung wurde in dessen Privatwohnung vorgenommen. |
Ein Eigentümer lässt in einem Vierfamilienhaus, in dem er eine Wohnung selbst bewohnt und die übrigen Wohnungen vermietet, Verbundglasfenster einbauen. | Da es sich bei dem Eigentümer hinsichtlich seiner Vermietungstätigkeit um einen Unternehmer handelt, unterliegt die Vergütung insoweit dem Steuerabzug, als sie sich auf den Einbau von Fenstern in den vermieteten Wohnungen bezieht. Fenster in Gemeinschaftsräumen (z.B. Flure, Treppenhäuser) sind der überwiegenden Nutzung zuzuordnen. Da in dem Beispiel die größere Zahl der Wohnungen vermietet ist, ist von der Gegenleistung für diese Fenster der Steuerabzug vorzunehmen. |
Ein Arbeitnehmer ist nebenberuflich als Bausparkassenvertreter tätig und lässt das Dach seines selbstgenutzten Eigenheims neu eindecken, in dem sich ein häusliches Arbeitszimmer, das er auch für seine Arbeitnehmertätigkeit nutzt, befindet. | Der Arbeitnehmer ist zwar hinsichtlich seiner Nebentätigkeit Unternehmer. Ein Steuerabzug unterbleibt jedoch, weil die Bauleistung dem unternehmerischen Zweck nicht unmittelbar zugeordnet werden kann und die Wohnnutzung überwiegt. |
Bei Wohnungseigentümergemeinschaften ist zwischen dem Sondereigentum und dem Gemeinschaftseigentum zu unterscheiden:
– Bei Bauleistungen für das Sondereigentum ist der jeweilige Sondereigentümer als Leistungsempfänger zum Steuerabzug verpflichtet.
– Bei Bauleistungen für das Gemeinschaftseigentum ist die Wohnungseigentümergemeinschaft als Leistungsempfängerin zur Durchführung des Steuerabzugs verpflichtet. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist Unternehmerin, denn sie erbringt Leistungen gegenüber den Eigentümern. Dazu gehört auch die Instandhaltung des Bauwerks.
Hinweis:
Zu beachten ist, dass der Leistungsempfänger für die Abführung der Bauabzugssteuer haftet, so dass das Finanzamt diesen für nicht abgeführte Abzugssteuern in Anspruch nehmen kann.
Sachlich ist der Steuerabzug bei Bezug von Bauleistungen vorzunehmen. Unter Bauleistungen sind alle Leistungen zu verstehen, die der Herstellung, Instandhaltung bzw. der Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Der Begriff des Bauwerks ist nicht auf Gebäude beschränkt, sondern betrifft z.B. auch Tunnel, Windkraftanlagen, Betriebsvorrichtungen und technische Anlagen. Zu den Bauleistungen gehören u.a. der Einbau von Fenstern und Türen sowie Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen und Heizungsanlagen, aber auch von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind, wie z.B. Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinrichtungen. Ebenfalls zu den Bauleistungen zählen die Installation einer Lichtwerbeanlage, Dachbegrünung eines Bauwerks oder der Hausanschluss durch Energieversorgungsunternehmen.
Nicht unter den Begriff fallen u.a. planerische Leistungen (z.B. von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs-, Prüf- und Bauingenieuren), die Arbeitnehmerüberlassung (auch wenn die überlassenen Arbeitnehmer für den Entleiher Bauleistungen erbringen), Reinigungsarbeiten, bestimmte Wartungsarbeiten oder Materiallieferungen, sofern es sich nicht um Nebenleistungen zur Bauleistung handelt.
Der Steuerabzug ist unabhängig davon vorzunehmen, ob der Leistende im In- oder Ausland ansässig ist oder regelmäßig oder einmalig Bauleistungen erbringt.
Der Steuerabzug kann unterbleiben, wenn:
– der Leistende dem Leistungsempfänger eine zum Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt (die Freistellungsbescheinigung wird Bauunternehmen auf Antrag vom Finanzamt ausgestellt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind),
– die Gegenleistung von dem Bauunternehmen im Kalenderjahr voraussichtlich 5 000 € bzw. bei ausschließlich steuerfreier Vermietung 15 000 € nicht überschreitet oder
– der Leistungsempfänger nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet; dann ist der Steuerabzug auf Bauleistungen für diese Wohnungen nicht anzuwenden. Die Verpflichtung zum Steuerabzug besteht für alle Wohnungen, wenn von einem Vermieter mehr als zwei Wohnungen vermietet werden. Der Steuerabzug für Bauleistungen für andere unternehmerische Zwecke bleibt von der Zweiwohnungsgrenze unberührt.
Handlungsempfehlung:
In der Praxis gilt es also
1. zu erkennen, in welchen Fällen eine Steuerabzugspflicht besteht und
2. in diesen Fällen eine Kopie der Freistellungsbescheinigung von dem leistenden Unternehmer einzuholen und damit die Abzugspflicht zu vermeiden.
Insoweit ist zu beachten: Wird die Gegenleistung in Teilbeträgen (z.B. Abschlagszahlungen nach Baufortschritt) erbracht, kann im Hinblick auf diese Teilzahlungen nur dann vom Steuerabzug abgesehen werden, wenn bereits vor Auszahlung des jeweiligen Teilbetrags dem Leistungsempfänger eine gültige Freistellungsbescheinigung vorliegt. Es reicht demgegenüber nicht aus, wenn der Leistende die Freistellungsbescheinigung dem Leistungsempfänger erst zusammen mit der Schlussrechnung vorlegt.
Besteht (im Ausnahmefall) eine Verpflichtung zum Steuerabzug, so gilt:
– Die Verpflichtung zum Steuerabzug entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung erbracht wird, d.h. der Leistungsempfänger die Vergütung für die erbrachte Bauleistung zahlt. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Gegenleistung in Teilbeträgen (Vorschüsse, Abschlagszahlungen, Zahlung gestundeter Beträge) erbracht wird.
– Der Leistungsempfänger hat den innerhalb eines Kalendermonats einbehaltenen Steuerabzugsbetrag unter Angabe des Verwendungszwecks jeweils bis zum 10. des Folgemonats an das für die Besteuerung des Einkommens des Leistenden zuständige FA (Kasse) abzuführen.
– Der Leistungsempfänger ist weiterhin verpflichtet, mit dem Leistenden über den einbehaltenen Steuerabzug abzurechnen. Dazu hat er dem Leistenden (Auftragnehmer) einen Abrechnungsbeleg zu erteilen, der folgende Angaben enthalten muss:
1. Name und Anschrift des Leistenden,
2. Rechnungsbetrag, Rechnungsdatum und Zahlungstag,
3. Höhe des Steuerabzugs,
4. Finanzamt, bei dem der Abzugsbetrag angemeldet worden ist.
Hinweis:
Ab 2023 soll eine verpflichtende elektronische Anmeldung der Bauabzugssteuer eingeführt werden.