Die FinVerw hat mit Schreiben v. 6.4.2022 (Az. IV C 8 – S 2285/19/10003 :001) die Hinweise zur Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung aktualisiert. Da dies ein in der Praxis sehr wichtiger Bereich ist, stellen wir die wesentlichen Grundzüge und aktuelle Aspekte dar.
Als außergewöhnliche Belastung können typische Aufwendungen für Unterhalt und Berufsausbildung für andere Personen steuerlich geltend gemacht werden. Im Unterschied zu anderen außergewöhnlichen Belastungen ist insoweit ein steuerlicher Abzug ohne Berücksichtigung einer zumutbaren Eigenbelastung möglich. Andererseits sind gesetzlich bestimmte Höchstbeträge festgeschrieben.
Der begünstigte Personenkreis umfasst zunächst gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen. Maßgebend ist insoweit das Zivilrecht. Danach sind folgende Personen gegenüber dem Stpfl. unterhaltsberechtigt:
– Verwandte in gerader Linie (z.B. Kinder, Enkel, Eltern, Großeltern),
– Ehegatten und Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft,
– geschiedene Ehegatten und Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft,
– Mutter bzw. Vater eines nichtehelichen Kindes gegenüber dem anderen Elternteil.
Den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen stehen Personen gleich, bei denen die inländische öffentliche Hand ihre Leistungen (z.B. Arbeitslosengeld II, Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) wegen der Unterhaltsleistungen des Stpfl. ganz oder teilweise nicht gewährt oder, wenn ein entsprechender Antrag gestellt würde, ganz oder teilweise nicht gewähren würde. Auf Grund dessen kann beim Vorliegen einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der gleichgestellten Person zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Stpfl. gekürzt werden. Ob eine Gemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist ausschließlich nach sozialrechtlichen Kriterien zu beurteilen.
Abziehbare Aufwendungen sind solche für den typischen Unterhalt, d.h. die üblichen für den Lebensunterhalt bestimmten Leistungen (z.B. Ernährung, Kleidung, Wohnung, Hausrat und notwendige Versicherungen), sowie Aufwendungen für eine Berufsausbildung. Abzugsfähig sind nur die tatsächlichen Aufwendungen des Stpfl., soweit sie nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden. Die Aufwendungen sind auf einen Höchstbetrag von 9 984 € (bis 2021: 9 744 €) begrenzt. Gehört die unterhaltsberechtigte Person zum Haushalt des Stpfl., kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass ihm dafür Unterhaltsaufwendungen (Bar- und Sachleistungen) in Höhe des maßgeblichen Höchstbetrags erwachsen.
Hinweis:
Erwachsen dem Stpfl. außer Aufwendungen für den typischen Unterhalt und einer etwaigen Berufsausbildung Aufwendungen für einen besonderen Unterhaltsbedarf der unterhaltenen Person, z.B. Krankheitskosten, kommt dafür eine Ermäßigung nach den allgemeinen Regeln für außergewöhnliche Aufwendungen (also insbesondere unter Berücksichtigung der zumutbaren Eigenbelastung) in Betracht.
Die Abziehbarkeit von Unterhaltsaufwendungen setzt – neben der Unterhaltsberechtigung – voraus, dass der Unterhaltsempfänger bedürftig ist, d.h. er darf kein oder nur ein geringes Vermögen besitzen und kein ausreichendes Einkommen haben. Als geringfügig kann in der Regel ein Vermögen bis zu einem gemeinen Wert (Verkehrswert) von 15 500 € angesehen werden. Hat die unterhaltene Person andere eigene Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich der Höchstbetrag um die eigenen Einkünfte und Bezüge, soweit diese den Betrag von insgesamt 624 € jährlich übersteigen sowie um die vom Unterhaltsempfänger als Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, bezogenen Zuschüsse. Der Einbezug von Einkünften der unterhaltsberechtigten Person ist umfassend und beinhaltet auch bspw. steuerfreie Einkünfte.
Hinweis:
Eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person sind nur anzurechnen, soweit sie auf den Unterhaltszeitraum entfallen. Weiterhin kann sich eine Beschränkung der Abziehbarkeit von Aufwendungen für den Unterhalt durch die Berücksichtigung der Verhältnisse des Stpfl. selbst ergeben. Es ist zu prüfen, inwieweit der Stpfl. zu Unterhaltsleistungen unter Berücksichtigung seiner persönlichen Einkommensverhältnisse verpflichtet ist bzw. bis zu welcher Höhe ihm die Übernahme der Unterhaltsleistungen überhaupt möglich ist. Hierfür ist es notwendig, das verfügbare
Nettoeinkommen des Stpfl. zu ermitteln. Bei der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens sind alle steuerpflichtigen Einkünfte, alle steuerfreien Einnahmen sowie etwaige Steuererstattungen (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag) anzusetzen. Zu den Einkünften zählen
– sämtliche Gewinneinkünfte (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und aus selbständiger Tätigkeit) sowie
– sämtliche Überschusseinkünfte, vor allem also Lohneinkünfte und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung;
– darüber hinaus sind der Abgeltungsteuer unterliegende Kapitalerträge ohne Abzug des Sparer-Pauschbetrages einzubeziehen.
– Steuerfreie Einnahmen sind z.B. das Kindergeld und vergleichbare Leistungen, Leistungen nach dem SGB II, SGB III und Bundeselterngeldgesetz, die ausgezahlten Arbeitnehmer-Sparzulagen nach dem 5. VermBG, das Baukindergeld und der steuerfreie Teil der Rente.
Hinweis:
Die Berechnung des verfügbaren Nettoeinkommens ist bei Stpfl. mit Gewinneinkünften regelmäßig auf Grundlage eines Dreijahreszeitraumes vorzunehmen.
Unter Berücksichtigung seiner Verhältnisse ist ein Stpfl. nur insoweit zu Unterhaltsleistungen verpflichtet, als diese in einem vernünftigen Verhältnis zu seinen Einkünften stehen und ihm nach Abzug der Unterhaltsaufwendungen genügend Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich und ggf. für seinen Ehegatten und seine Kinder verbleiben – sog. Opfergrenze. Soweit keine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft mit der unterhaltenen Person besteht, sind Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen höchstens insoweit als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, als sie einen bestimmten Prozentsatz des verfügbaren Nettoeinkommens nicht übersteigen. Dieser beträgt
– 1 % je volle 500 € des verfügbaren Nettoeinkommens, höchstens 50 %,
– und ist um je 5 % für den (ggf. auch geschiedenen) Ehegatten und für jedes Kind, für das der Stpfl. Anspruch auf einen Kinderfreibetrag, Kindergeld oder eine andere Leistung für Kinder hat, zu kürzen, höchstens um 25 %.
Hinweis:
Die Opfergrenzenregelung gilt nicht bei Aufwendungen für den Unterhalt an den (ggf. auch geschiedenen) Ehegatten.
Auch bei einer bestehenden sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft mit der unterhaltenen Person ist die Opfergrenze nicht anzuwenden.
Handlungsempfehlung:
Die Möglichkeiten der steuerlichen Berücksichtigung solcher Aufwendungen für Unterhalt oder Berufsausbildung sind groß, andererseits muss für den Einzelfall sehr sorgfältig ermittelt werden, ob bspw. eigene Einkünfte oder eigenes Vermögen der unterhaltsberechtigten Person mindernd zu berücksichtigen sind. Im Einzelfall sind über die vorstehend dargestellten Grundsätze hinaus vielfach noch Besonderheiten bei der Berechnung zu beachten.