Die Frage, ob Stipendien steuerlich erfasst werden, ist oftmals strittig. Insoweit ist stets der Einzelfall zu würdigen. Zum einen können solche Zahlungen gar nicht steuerlich zu erfassen sein, weil keine steuerlich relevanten Einkünfte vorliegen, zum anderen kann auch eine grundsätzliche Steuerpflicht vorliegen, wenn der Stipendiat für die Gewährung eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat. Zudem ist bei Steuerbarkeit auch die Anwendung einer Steuerbefreiung zu prüfen. Steuerbefreit sind insbesondere Stipendien, die aus öffentlichen Mitteln zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden.
Der BFH hatte nun über einen Fall zu entscheiden, der gewisse Breitenwirkung hat. Im Streitfall wurde die Stpfl. während ihrer Promotionszeit vom Freistaat Sachsen aus Mitteln des Landes sowie des Europäischen Sozialfonds (ESF) mit monatlich 800 € gefördert. Nach Maßgabe der Vergabebedingungen beteiligte sich ein privatwirtschaftliches Unternehmen in gleicher Höhe an der Finanzierung des Promotionsvorhabens und zahlte der Stpfl. ebenfalls monatlich 800 €. Die Stpfl. verpflichtete sich zum Einsatz ihrer „vollen Arbeitskraft“ für das Promotionsvorhaben und außerdem dazu, einen monatlichen Nachweis über die Tätigkeit für das Promotionsvorhaben zu führen, halbjährlich Zwischenberichte vorzulegen und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst ein Pflichtexemplar der Dissertationsschrift zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich der Ergebnisse ihres Promotionsprojekts unterlag sie einer fünfjährigen Ausübungs- und Verwertungspflicht in eben jenem Bundesland. Das FA besteuerte den aus Mitteln des ESF gezahlten Teil des Stipendiums nicht. Die vom Unternehmen bezogenen Zuwendungen sah es dagegen als steuerbare und steuerpflichtige sonstige Einkünfte an.
Mit Urteil vom 28.9.2022 (Az. X R 21/20) konnte der BFH letztlich den Fall nicht entscheiden und hat diesen für weitere Feststellungen an das FG zurückverwiesen. Von Bedeutung sind aber die Feststellungen des Gerichts:
– Eine steuerliche Erfassung als sonstige Einkünfte setzt voraus, dass die Stpfl. für die Gewährung der Leistungen aus dem Stipendium eine wirtschaftliche Gegenleistung hätte erbringen müssen. Insoweit stellt der BFH fest, dass die Pflicht der Stpfl., ihre Arbeitskraft der Promotion zu widmen, nicht als Gegenleistung im wirtschaftlichen Sinn, sondern als eine lediglich Selbstverständliches wiedergebende Erwartungshaltung der Mittelgeber anzusehen ist. Nichts anderes gelte für die im Zuwendungsbescheid geregelten Berichts-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie für die Pflicht zur Ablieferung eines Pflichtexemplars der Dissertationsschrift. Allerdings kann die bei Stipendien jedenfalls nicht allgemeinübliche Pflicht, die aus dem geförderten Vorhaben gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse innerhalb einer bestimmten Bindungsfrist ausschließlich im Geber-Bundesland beruflich zu verwerten, ggf. als konkretisierbare wirtschaftliche Gegenleistung der Stpfl. zu sehen sein, was vom FG nun im zweiten Rechtsgang zu prüfen ist.
– Eine Steuerbefreiung kann nur hinsichtlich des aus dem ESF finanzierten Teils des Stipendiums gewährt werden. Soweit der Stpfl. in gleicher Höhe von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen Zahlungen zugeflossen sind, handelt es sich nicht um öffentliche Mittel im Sinne dieser Vorschrift, so dass die Anwendung der Steuerbefreiung ausscheidet.
Hinweis:
Ob Stipendien steuerlich zu erfassen sind und ob ggf. eine Steuerbefreiung greift, ist sorgfältig für den Einzelfall zu prüfen. Entscheidend sind die jeweiligen Stipendienbedingungen.