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Besteuerung sog. Streubesitzdividenden: FinVerw zur Berechnung des Vorliegens einer 10 %igen Beteiligung

18. November 2021














§ 8b KStG regelt im Grundsatz, dass Gewinnausschüttungen aus Beteiligungen an in- und ausländischen Körperschaften bei der Einkommensermittlung von Körperschaftsteuerpflichtigen steuerfrei gestellt werden. Nach § 8b Abs. 4 KStG wird danach die Steuerfreiheit nur gewährt, wenn schon zu Beginn des Kalenderjahrs eine mind. 10 %ige Beteiligung vorgelegen hat. Zugleich gilt für Zwecke dieser Streubesitzregelung der unterjährige Erwerb einer Beteiligung von mind. 10 % als bereits zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt; das Gesetz enthält also für diesen Fall eine Rückbeziehungsfiktion.





Nach der aktuell veröffentlichten Auffassung der FinVerw (OFD Frankfurt v. 16.8.2021, S 2750a A-027-St 52), insbesondere zum unterjährigen Hinzuerwerb, gilt diese Rückbeziehungsfiktion ausschließlich für den Erwerb eines Anteilspaketes von mind. 10 % durch einen einzelnen Erwerbsvorgang. Danach habe die Regelung keine Auswirkung auf die Behandlung von Anteilen, die zum Beginn des Kalenderjahres bereits bestehen, und sei auch nicht anzuwenden, wenn im laufenden Kalenderjahr durch verschiedene Erwerbsvorgänge jeweils Anteile von weniger als 10 % erworben werden würden, die Erwerbe insgesamt aber die Grenze von 10 % erreichen. Die FinVerw erläutert ihre Auffassung an folgenden Beispielen:





Hinzuerwerb einer Beteiligung im Laufe des Jahres von 11 %Auf Grund der Rückbeziehungsfiktion sind Erträge aus dieser Beteiligung bereits im Erwerbsjahr steuerfrei.
Beteiligungshöhe zu Beginn des Jahres 4 %, Hinzuerwerb im Laufe des Jahres von 7 %Erträge aus dieser Beteiligung sind im Erwerbsjahr nicht steuerfrei, sondern als Streubesitz in voller Höhe steuerpflichtig, weil nicht mind. 10 % hinzuerworben werden.
Beteiligungshöhe zu Beginn des Jahres 4 %, Hinzuerwerb im Laufe des Jahres
11 %
Die Rückbezugsfiktion ist nur für den hinzuerworbenen Anteil von 11 % anzuwenden, so dass in diesem Jahr des Erwerbs Erträge aus der Beteiligung insoweit steuerfrei sind, als sie auf den hinzuerworbenen 11 %igen Anteil entfallen, und steuerpflichtig, soweit sie auf den Anteil von 4 % entfallen.
Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres, Erwerb einer Beteiligung von 20 % am 1.4. und einer Beteiligung von 7 % am 1.6. und einer Beteiligung von 4 % am 1.9.Die Rückbezugsfiktion ist nur für den hinzuerworbenen Anteil von 20 % anzuwenden, so dass in diesem Jahr des Erwerbs Erträge aus der Beteiligung insoweit steuerfrei sind, als sie auf den erworbenen 20 %igen Anteil entfallen, und steuerpflichtig, soweit sie auf die Anteile von 7 % und 4 % entfallen.
Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres, Hinzuerwerb von 5 % von Veräußerer 1 und Hinzuerwerb von 5 % von Veräußerer 2Keine Steuerbefreiung im Erwerbsjahr, da (i.S.d. Rückbeziehungsfiktion) nicht in einem Erwerbsvorgang mindestens 10 % erworben werden.
Erwerb von 15 % und Veräußerung von 10 % im gleichen Jahr mit anschließender AusschüttungDa die Rückbeziehungsfiktion greift, sind Erträge aus der Beteiligung steuerfrei, auch wenn die Muttergesellschaft im Zeitpunkt der Ausschüttung nur noch zu 5 % beteiligt ist. Der Erwerber der Beteiligung, der ja in einem Erwerbsvorgang 10 % hinzuerwirbt, profitiert i.Ü. ebenfalls von der Rückbeziehungsfiktion – und kann auch steuerfreie Erträge erzielen.




Hinweis:





Die dargestellte Auffassung der FinVerw ist umstritten. So hat das Hessische FG mit Urteil v. 15.3.2021 (gegen das beim BFH die Revision unter dem Az. I R 16/21 anhängig ist) entschieden, dass die Steuerfreiheit bereits dann eintritt, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Kalenderjahres eine Beteiligungshöhe von mindestens 10 % erreicht wurde – dabei komme es nicht auf das Vorliegen eines oder mehrerer Erwerbsvorgänge an. Die weitere Entwicklung ist zu beobachten.





Handlungsanweisung:





Die der Körperschaftsteuer unterliegenden Stpfl. müssen also darauf hinarbeiten, dass entweder zu Beginn des Kalenderjahres bereits eine Beteiligung in Höhe der gesetzlichen Vorgaben besteht oder unter Beachtung der Rückbezugsfiktion unterjährig möglichst Mindestbeteiligungen von 10 % erworben werden – oder die Aus-schüttungspolitik im Erwerbsjahr möglichst günstig gestalten.


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