Mit Verfügung vom 12.2.2021 (S 2244 A-21-St 519) hat die OFD Frankfurt ausführlich zu steuerlichen Fragen der Auflösung einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 17 EStG Stellung genommen – und damit die Vorversion vom 22.7.2009 überarbeitet. Aus dieser Verfügung sind unter besonderer Beachtung der jüngeren BFH-Rechtsprechung folgende Aspekte hervorzuheben:
- Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft (Gewinne/Verluste werden den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet), wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 v.H. beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält.
- Die Entstehung eines Auflösungsgewinns oder -verlusts setzt die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft voraus.
- Zivilrechtliche Gründe für die Auflösung einer GmbH sind u.a. ein entsprechender Beschluss der Gesellschafter-/Hauptversammlung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse wie auch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit.
- Keine zivilrechtlichen Auflösungsgründe sind die Einstellung der Tätigkeit der Gesellschaft wie auch die Überschuldung der Gesellschaft (Vermögenslosigkeit per Saldo).
- Von dem Zeitpunkt der zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft ist der Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung des Auflösungsgewinns bzw. -verlusts zu unterscheiden.
- Der Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung des Auflösungsgewinns bzw. -verlustes bestimmt sich nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, insbesondere dem sog. Realisationsprinzip. Dies setze neben der zivilrechtlichen Auflösung der Gesellschaft kumulativ voraus, dass der Gesellschafter mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr rechnen kann und dass feststehe, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten (oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen) anfallen werden.
- Diese hinreichende Konkretisierung ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Zeitpunkt eingetreten, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Dies ist regelmäßig erst mit Abschluss der Liquidation der Fall.
- Der einmal entstandene Gewinn oder Verlust ist im Zeitpunkt seines Entstehens steuerlich zu berücksichtigen. Im Fall der Auflösung einer Kapitalgesellschaft können für die beteiligten Gesellschafter unterschiedliche Zeitpunkte für die Besteuerung des Auflösungsverlusts anzunehmen sein, weil sich z.B. die Höhe der dem Gesellschafter zuzuordnenden persönlichen Anschaffungskosten erst zu unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. Veranlagungszeiträumen konkretisiert. Die Darlegungs- und Feststellungslast für die hinreichende Konkretisierung der erforderlichen Komponenten auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene als Gesamtergebnis des Zeitpunkts der Besteuerung des Auflösungsverlustes trägt der Stpfl.
- Bei der insolvenzfreien Auflösung entsteht nach den vorstehenden Grundsätzen der Auflösungsgewinn bzw. -verlust regelmäßig erst in dem Zeitpunkt, in dem weder mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter noch mit einer wesentlichen Änderung der durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen wie Veräußerungskosten, Aufgabekosten oder nachträglichen Anschaffungskosten mehr zu rechnen ist. Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung des Auflösungsgewinns bzw. -verlusts schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Auflösungsergebnisses nicht mehr zu rechnen ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Kapitalgesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war.
- Im Fall der Durchführung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft ist der Auflösungsverlust i.S.v. § 17 Abs. 4 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens realisiert, denn erst dann steht fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann.
- Bei der Prüfung, ob „innerhalb der letzten fünf Jahre“ eine relevante Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG bestand, richtet sich die Beteiligungsgrenze nach der im Jahr der Gewinn- bzw. Verlustrealisierung geltenden Beteiligungsgrenze.