Das Bundesverfassungsgericht hat in den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 mit Beschluss vom 8.7.2021 im Ergebnis entschieden, dass
- der bei der Berechnung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen zu Steuerzahlungen zu Grunde gelegte Zinssatz von 6 % p.a. für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 verfassungswidrig ist;
- für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 das bisherige Recht aber weiter angewendet werden kann;
- dagegen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 eine Anwendung des bisherigen Rechts nicht mehr erfolgen darf, sondern vielmehr der Gesetzgeber verpflichtet ist, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen.
Hierzu hat mittlerweile auch die FinVerw mit Schreiben vom 17.9.2021 (Az. IV A 3 – S 0338/19/10004 :005) Stellung genommen. Insoweit gilt zunächst folgende Handhabung durch die Finanzbehörden:
- Steuerzinsen für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 werden auf Basis des bisherigen Rechts (also mit einem Zinssatz von 6 % p.a.) zu Gunsten wie zu Lasten des Stpfl. endgültig berechnet und festgesetzt. Bestehende Einspruchsverfahren werden auf dieser Basis abgeschlossen.
- Für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 werden bei erstmaliger Zinsfestsetzung zunächst vorläufig keine Zinsen berechnet. Die Festsetzung erfolgt vorläufig. Eine Korrektur bzw. erstmalige Festsetzung erfolgt dann später, wenn eine gesetzliche Neuregelung erfolgt ist.
- Die Unvereinbarkeitserklärung erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung zulasten der Stpfl., namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen.
Hinsichtlich der zu betrachtenden Zeiträume ist zu beachten, dass es nicht etwa auf das Jahr ankommt, für das die Steuer festgesetzt bzw. geändert wird, sondern auf den Zinszeitraum. Erfolgt eine Steueränderung für ein weiter zurückliegendes Steuerjahr, so kann die Verzinsung bis zum aktuellen Zahlungszeitpunkt die verschiedenen angesprochenen Zinszeiträume betreffen.
Hinweis:
Zukünftig ist eine Verzinsung von Steuernachforderungen und auch Steuererstattungen mit einem insgesamt marktgerechten Zinssatz vorzunehmen. Insoweit bleibt die gesetzliche Neuregelung abzuwarten. Vorgaben für die gesetzlich notwendige Neuregelung hat das Bundesverfassungsgericht nicht gemacht. Herausgestellt hat das Gericht, dass der Gesetzgeber zu Typisierungen befugt ist. Betroffen sind Zinsfestsetzungen betreffend Steuernachzahlungen bzw. -erstattung insbesondere der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie der Umsatzsteuer.