Nach § 69 AO haften GmbH-Geschäftsführer u.a. für Schulden der GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Insofern sollte gerade den Verpflichtungen zur Erklärung und zur Zahlung von Lohnsteuer wie auch von Umsatzsteuer höchste Priorität beigemessen werden.
Vor diesem Hintergrund ist das BFH-Urteil vom 22.10.2019 (Aktenzeichen VII R 30/18, www.stotax-first.de) zu sehen. In diesem Urteil hat sich der BFH mit der Frage der Haftung eines GmbH-Geschäftsführers nach Bestellung eines vorläufigen (sog. „schwachen“) Insolvenzverwalters befasst und im Ergebnis die Sache an das FG zurückverwiesen.
Im Streitfall hatte der Bruder (A) und alleinige Erbe des ursprünglichen Klägers (B) als damaligem alleinigem Geschäftsführer einer G-GmbH geklagt. Am 8.2.2013 ging beim Beklagten eine Lohnsteuer-Anmeldung der GmbH für den Monat Februar 2013 über einen fünfstelligen Eurobetrag ein, die Lohn- und Gehaltszahlungen für den Monat Januar 2013 betraf, die wegen einer Betriebsvereinbarung erst Anfang Februar 2013 vorgenommen wurden. Die Lohnsteuer wurde bei Fälligkeit am 11.3.2013 und auch in der Folgezeit nicht entrichtet. Am 7.3.2013 stellte die GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht.
In der Folge ist B persönlich in Haftung genommen worden. Das FA hatte darauf abgestellt, dass B auch nach der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters alleinverantwortlicher gesetzlicher Vertreter der GmbH geblieben sei. Das Recht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnis sei ausdrücklich bei der GmbH verblieben, weshalb B weiterhin für die Entrichtung der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten zuständig gewesen sei. Dennoch habe B bei Fälligkeit der Rückstände nichts unternommen, um diese begleichen zu können, und insoweit auch nicht beim vorläufigen Insolvenzverwalter angefragt.
Das FG Berlin-Brandenburg als Vorinstanz verneinte die Haftung des B, da diesen kein Verschulden treffe. Der BFH hat diese Entscheidung jedoch aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Denn im Streitfall sei B im Haftungszeitraum tatsächlich Geschäftsführer der GmbH gewesen, die die Lohnsteuer nicht entrichtet habe.
Zur Erfüllung des Haftungstatbestands nach § 69 AO, so der BFH, müsse die Nichtabführung der Lohnsteuer auf einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten des B als Geschäftsführer beruhen. Auch durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei B rechtlich nicht gehindert gewesen, die Lohnsteuer abzuführen. Da nur ein sog. „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt gewesen sei, hatte B als gesetzlicher Vertreter der GmbH weiterhin die Pflicht, Löhne zu zahlen und Lohnsteuer abzuführen.
Offen bleibt, ob bei einem angeordneten Zustimmungsvorbehalt ein Verschulden des Geschäftsführers i.S.d. § 69 Satz 1 AO dann zu verneinen ist, wenn er trotz fortbestehender Verfügungsbefugnis und vorhandener finanzieller Mittel die Begleichung der Steuerschuld in einem Fall unterlässt, in dem der vorläufige Insolvenzverwalter die erbetene Einwilligung hierzu versagt. Im Zweifel müsse vom Geschäftsführer eine entsprechend dokumentierte Anfrage an den vorläufigen Insolvenzverwalter erwartet werden können.
Hinweis:
Die weitere Rspr. (im Streitfall: FG Berlin-Brandenburg) ist aufmerksam zu beobachten, zumal der BFH diesem aufgegeben hat, hier noch Feststellungen betreffend die erhöhten Pflichten des Geschäftsführers in der Krise der Gesellschaft zu treffen. Gerade in der finanziellen Krise, so der BFH, bestünden erhöhte Pflichten, so lebe z.B. die uneingeschränkte Gesamtverantwortung jedes einzelnen Geschäftsführers wieder auf.
Handlungsempfehlung:
In der Praxis ergeben sich in der Krise der GmbH erhöhte Dokumentationsanforderungen, so dass zu empfehlen ist, dass GmbH-Geschäftsführer und andere gesetzliche Vertreter, die nach § 69 AO persönlich in Haftung genommen werden könnten, im Fall einer Insolvenzantragstellung über den Inhalt der Gespräche mit dem Insolvenzverwalter genaue schriftliche Aufzeichnungen (z.B. Aktenvermerke) anfertigen und ggf. auch Beweismittel sichern (z.B. Mitarbeiter als Zeugen hinzuziehen).