Nach § 69 AO haften GmbH-Geschäftsführer u.a. für Schulden der GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. In der Praxis sollte daher gerade den Verpflichtungen zur Erklärung und zur Zahlung von Lohnsteuern und von Umsatzsteuern höchste Priorität beigemessen werden, die Geschäftsführer können aber natürlich auch für Ertragsteuern der GmbH in Anspruch genommen werden.
Vor diesem Hintergrund ist nun der Beschluss des BFH vom 15.11.2022 (Az. VII R 23/19) zu sehen, mit dem der BFH entschieden hat, dass sich ein GmbH-Geschäftsführer gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen kann, er sei auf Grund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer – so der BFH – den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen könne, müsse von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen.
Im Streitfall war der Stpfl. seit der Gründung im November 2002 bis zum 23.4.2012 alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Faktischer Geschäftsführer der GmbH war allerdings der Sohn des Stpfl., B, der als Prokurist der GmbH angestellt war. Der Stpfl. war zudem zu 90 % an der GmbH beteiligt, die übrigen 10 % der Gesellschaftsanteile hielt sein Enkelsohn C. Dieser übernahm zum 23.4.2012 auch die Geschäftsführung der GmbH.
Im Zuge einer Fahndungsprüfung kam die Steuerfahndung zu dem Ergebnis, dass der Stpfl. in Kenntnis aller Umstände zumindest geduldet hatte, dass sein Sohn als faktischer Geschäftsführer 67 Scheinrechnungen tatsächlich nichtexistierender Firmen und 34 beleglose Buchungen für angebliche Wareneinkäufe und Fremdleistungen gebucht und zur Grundlage der jeweiligen Jahressteuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen gemacht hatte. Über das Vermögen der GmbH wurde im Jahr 2013 auf Antrag des FA das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Stpfl. wurde u.a. gem. § 69, § 71 und § 191 AO in Haftung genommen.
Der BFH hat dazu ausgeführt,
– dass ein GmbH-Geschäftsführer gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG u.a. die Pflicht hat, die Steuererklärungen vollständig, richtig und rechtzeitig abzugeben (und dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden).
– Entgegen der Auffassung des Stpfl. entlastet ihn nicht etwa der Umstand, dass die Geschäfte der GmbH tatsächlich durch seinen Sohn geführt worden sind. Auch das fortgeschrittene Alter des Stpfl. und der Einwand, dass er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen, stünden der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht entgegen. Ein Geschäftsführer sei zwar grundsätzlich befugt, die Erledigung steuerlicher Angelegenheiten der GmbH anderen Personen zu übertragen, hierbei sei er aber verpflichtet, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm auferlegten steuerlichen Pflichten überträgt, sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen. Mangelhaftes Überwachen der zur Pflichterfüllung herangezogenen Personen stelle regelmäßig eine grob fahrlässige Pflichtverletzung („Überwachungsverschulden“) dar.
– Wer die Stellung eines Geschäftsführers nominell und formell übernehme, hafte, sofern ihm auch der Vorwurf persönlichen Verschuldens mindestens vom Grad grober Fahrlässigkeit gemacht werden könne, nach § 69 AO grundsätzlich auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsaufgaben nachzukommen.
Hinweis:
Mit diesem Beschluss unterstreicht der BFH, dass – unter dem Blickwinkel einer etwaigen steuerlichen Haftung – die nominelle bzw. formelle Übernahme der Geschäftsführerstellung nicht „auf die leichte Schulter“ genommen werden sollte. In der gefestigten Rechtsprechung des BFH hat weder die Argumentation nominell bestellter Geschäftsführer gegriffen, sie seien nur „Strohmänner“, noch deren Erklärungen, dass in Wirklichkeit der Ehepartner die Geschäftsführertätigkeit wahrgenommen habe.