Mit seinem vorläufig nicht rechtskräftigen Urteil v. 18.11.2022 (Az. 3 K 590/21 H) hat das FG Düsseldorf zum Beginn und zum Ende der gesellschaftsrechtlichen Organstellung entschieden,
– dass Entstehung und Erlöschen der steuerrechtlichen Pflichtenstellung bei GmbH-Geschäftsführern allein von dem Inhalt und der Wirksamkeit des jeweiligen Gesellschafterbeschlusses abhängen. Der Zeitpunkt der Eintragung bzw. Löschung im Handelsregister sei insbesondere für die Haftung nach § 69 AO irrelevant;
– Gesellschafterbeschlüsse betreffend die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern könnten grundsätzlich formfrei getroffen werden. Welchen Inhalt sie haben, sei notfalls durch Auslegung zu klären;
– Rein innere Vorbehalte des designierten Geschäftsführers, der seiner Bestellung bereits zugestimmt hat, änderten nichts daran, dass er zum im Gesellschafterbeschluss vorgesehenen Zeitpunkt Geschäftsführer werde.
Im konkreten Streitfall war der Stpfl. vormals einziger Geschäftsführer der B GmbH, an der neben ihm auch E beteiligt war. Sein Anstellungsvertrag war auf den 30.6.2019 befristet. Am 15.4.2019 verfassten der Stpfl., E und Dr. A als Geschäftsführer der C-GmbH einen sog. Letter of Intent, in dem es u.a. hieß, dass der Stpfl. nach Ablauf des Geschäftsführervertrags ab dem 1.7.2019 als angestellter Senior Berater tätig werde.
Der Stpfl. war in der Folge aber über den 30.6.2019 hinaus im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen. Die B-GmbH stellte am 18.11.2019 einen Insolvenzantrag. Der Stpfl. wurde für Lohnsteuerrückstände in Haftung genommen, da er (nach Auffassung des FA) bis mindestens Dezember 2019 als Geschäftsführer der B GmbH bestellt gewesen sei.
Dazu stellt das FG Düsseldorf u.a. fest, dass zwar die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen im Grundsatz für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis haften (können), dass aber der Stpfl. ab dem 1.7.2019 gar nicht mehr gesetzlicher Vertreter der B GmbH gewesen sei. Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern gehörten zum Aufgabenkreis der Gesellschafter, so dass auf den (wirksamen!) Gesellschafterbeschluss abzustellen sei – dieser sei grundsätzlich auch formlos möglich. Die Eintragung im Handelsregister habe demgegenüber nur deklaratorische Wirkung; der öffentliche Glaube des Handelsregisters gem. § 15 HGB habe keinen Einfluss auf die Haftung nach § 69 AO.
Hinweis:
Diese Entscheidung unterstreicht die in der Praxis nicht zu unterschätzende Bedeutung der Gesellschafterbeschlüsse, die schon aus Nachweisgründen (auch was ihre Wirksamkeit angeht) grundsätzlich schriftlich dokumentiert werden sollten. Bei der Ein-Mann-GmbH ist die Schriftform samt Unterschrift sogar gesetzlich vorgeschrieben.