a) Bilanzpolitik: Bedeutung der Größenklassen des HGB
Die Anforderungen an die handelsrechtliche Rechnungslegung sind gestaffelt: Kleine KapGes genießen gegenüber mittelgroßen und großen KapGes eine Reihe von Vorteilen, so dass auch vor dem kommenden Bilanzstichtag die Schwellenwerte der Größenklassen des HGB für KapGes genau betrachtet werden sollten. So unterliegen kleine KapGes insbesondere nicht der gesetzlichen Prüfungspflicht durch einen vereidigten Buch- oder Wirtschaftsprüfer. Die Aufstellung des Jahresabschlusses kann für diese Gesellschaften später erfolgen. Außerdem sind auch deutlich weniger Pflichtangaben im Anhang zu machen, die Bilanz braucht weniger tief gegliedert zu werden und auf einen Lagebericht kann verzichtet werden. Darüber hinaus existieren noch deutliche Erleichterungen bei der Publizität des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger, insbesondere braucht die Gewinn- und Verlustrechnung nicht offengelegt zu werden.
Daher sollte zum Jahresende, das ja regelmäßig auch das Ende des Wirtschaftsjahrs darstellt, geprüft werden, ob die jeweiligen Schwellenwerte durch geeignete Gestaltungsmaßnahmen noch vor dem Bilanzstichtag unterschritten werden können. Allerdings treten die Rechtsfolgen ohnehin erst dann ein, wenn zwei der genannten Merkmale (Schwellenwerte) an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen unter- oder überschritten werden. Die Größenklassen stellen sich nach derzeit noch geltendem Recht (§ 267 HGB; Stand Mitte November 2023) wie folgt dar:
IST | Kleine GmbH | Mittelgroße GmbH | Große GmbH |
Bilanzsumme | ≤ 6 Mio. € | ≤ 20 Mio. € | > 20 Mio. € |
Umsatzerlöse | ≤ 12 Mio. € | ≤ 40 Mio. € | > 40 Mio. € |
Arbeitnehmer | ≤ 50 | ≤ 250 | > 250 |
Diese Werte werden (mit Ausnahme der Arbeitnehmerzahl) nach dem am 17.10.2023 von der Europäischen Kommission erlassenen Delegierten Rechtsakt zur Anhebung der Schwellenwerte für die Bestimmung der Größenklassen von Unternehmen und Gruppen in Kürze um ca. 25 % angehoben (wobei es den Mitgliedsstaaten überlassen bleibt, die Anwendung bereits für 2023 oder erst ab 2024 vorzuschreiben; nachfolgend wird i.Ü. davon ausgegangen, dass Deutschland weiterhin das Mitgliedsstaatenwahlrecht nutzt und die Schwellenwerte für kleine Unternehmen an der oberen Grenze der Richtlinie festlegt):
PLAN | Kleine GmbH | Mittelgroße GmbH | Große GmbH |
Bilanzsumme | ≤ 7,5 Mio. € | ≤ 25 Mio. € | > 25 Mio. € |
Umsatzerlöse | ≤ 15 Mio. € | ≤ 50 Mio. € | > 50 Mio. € |
Arbeitnehmer | ≤ 50 | ≤ 250 | > 250 |
Entsprechende Gestaltungsüberlegungen sind auch bei Vorliegen von Tochtergesellschaften bezüglich der Schwellenwerte zur Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses anzustellen. Es besteht dann eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses, wenn mindestens zwei der drei nachfolgend genannten Merkmale überschritten werden. Bei der Prüfung der Konzernrechnungslegungspflicht wird zwischen der Brutto- und der Nettomethode differenziert. Bei der Bruttomethode wird aus den Bilanzen der einzubeziehenden Unternehmen lediglich durch Aufaddieren eine Summenbilanz erstellt, bei der Nettomethode wird ein „Probe“-Konzernabschluss einschließlich der erforderlichen Konsolidierungsbuchungen aufgestellt.
Die Schwellenwerte für Konzernabschlüsse sind nach derzeit noch geltendem Recht wie folgt gesetzlich festgelegt:
IST | Bruttomethode | Nettomethode |
Bilanzsumme | ≤ 24 Mio. € | ≤ 20 Mio. € |
Umsatzerlöse | ≤ 48 Mio. € | ≤ 40 Mio. € |
Arbeitnehmer | ≤ 250 | ≤ 250 |
Auch diese Werte sollen (mit Ausnahme der Arbeitnehmerzahl) nach dem am 17.10.2023 von der Europäischen Kommission erlassenen Delegierten Rechtsakt zur Anhebung der Schwellenwerte für die Bestimmung der Größenklassen von Unternehmen und Gruppen in Kürze um 25 % angehoben werden.
Hinweis:
Ob Deutschland das Wahlrecht zur frühzeitigen Anwendung der erhöhten Größenkriterien bereits ab 2023 ausüben wird, war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht absehbar.
Handlungsempfehlung:
Soweit beabsichtigt wird, gerade das gestaltbar erscheinende Kriterium der Bilanzsumme mit dem Ziel des Unterschreitens der Schwellenwerte zu mindern, können verschiedene sachverhaltsgestaltende wie auch bilanzpolitische Instrumente genutzt werden, deren Einsatz im konkreten Einzelfall zu prüfen wäre (z.B. Aufschub von Investitionen und/oder Außenfinanzierungen, Rückführung von Außenfinanzierungen, sale-and-lease-back-Gestaltungen, Vornahme von Gewinnausschüttungen, Abtretung von Forderungen, Auslagerung von Pensionsverpflichtungen). Unter Hinzuziehung steuerlicher Beratung sollten rechtzeitig die Situation analysiert und mögliche Strategien entwickelt werden.
b) Bilanzpolitik: Besondere Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften
Besondere Erleichterungen werden nach § 267a HGB sog. Kleinst-Unternehmen (Kleinstkapitalgesellschaften) gewährt. Ein Unternehmen wird nach derzeit noch geltendem Recht (Stand Mitte November 2023) dann als Kleinstkapitalgesellschaft oder als Kleinst-GmbH & Co. KG eingestuft, wenn an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen jeweils zwei der folgenden drei Größenmerkmale nicht überschritten werden:
– Bilanzsumme (nach Abzug eines etwaigen Fehlbetrags): 350 000 €,
– Umsatzerlöse: 700 000 €,
– Arbeitnehmerzahl im Jahresdurchschnitt: zehn Personen.
Auch diese Werte werden (mit Ausnahme der Arbeitnehmerzahl) nach dem am 17.10.2023 von der Europäischen Kommission erlassenen Delegierten Rechtsakt zur Anhebung der Schwellenwerte für die Bestimmung der Größenklassen von Unternehmen und Gruppen in Kürze wie folgt angehoben (wobei es den Mitgliedsstaaten überlassen bleibt, die Anwendung bereits für 2023 oder erst ab 2024 vorzuschreiben):
– Bilanzsumme (nach Abzug eines etwaigen Fehlbetrags): Anhebung auf 450 000 €,
– Umsatzerlöse: Anhebung auf 900 000 €.
Mit der Einstufung als Kleinstunternehmen verbunden sind – neben den bereits für kleine Gesellschaften geltenden Erleichterungen – erhebliche Vereinfachungen hinsichtlich des Jahresabschlusses: erhebliche Verkürzung und Vereinfachung der Gliederungen von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, Befreiung von der Aufstellung eines Anhangs und der Offenlegungspflicht.
Hinweis:
Gerade im Hinblick auf die im Bundesanzeiger zu veröffentlichenden Daten sind die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften wichtig. Von Bedeutung ist, dass durchaus auch für diese Kleinstkapitalgesellschaften ein ausführlicher Jahresabschluss aufgestellt werden kann, um z.B. gegenüber den Gesellschaftern oder der Hausbank ausreichende Informationen zu geben. Ein weiterer zur Veröffentlichung bestimmter Jahresabschluss kann dann unabhängig davon nach den vereinfachten Regeln für Kleinstkapitalgesellschaften aufgestellt werden. Ob Deutschland das Wahlrecht zur frühzeitigen Anwendung der erhöhten Größenkriterien bereits ab 2023 ausüben wird, war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht absehbar.
Handlungsempfehlung:
Vor dem Hintergrund dieser Erleichterungen ist zum Jahreswechsel 2023/2024 zu prüfen, ob die Schwellenwerte für Kleinstkapitalgesellschaften durch geeignete Gestaltungsmaßnahmen noch vor dem Bilanzstichtag unterschritten werden können. Auch insoweit ist zu beachten, dass die begünstigenden Rechtsfolgen erst dann eintreten, wenn zwei der genannten Merkmale (Schwellenwerte) an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen nicht überschritten werden.
c) Mindestbesteuerung durch ergebnispolitische Maßnahmen vermeiden
Auch KapGes unterliegen der mit dem Begriff „Mindestbesteuerung“ bezeichneten gesetzlichen Regelung des § 10d EStG, nach der ein steuerlicher Verlustvortrag im Einzelfall nur begrenzt genutzt werden kann. Konkret ordnet die Vorschrift, deren Verfassungsmäßigkeit derzeit immer noch auf dem Prüfstand des BVerfG steht, an, dass in vorhergehenden Jahren noch nicht verrechnete Verluste in nachfolgenden Gewinnjahren nur noch i.H.v. 1 Mio. € (sog. Sockelbetrag) unbeschränkt verrechnet werden dürfen. Der diesen Sockelbetrag übersteigende Gewinn kann nur zu 60 % verrechnet werden – die verbleibenden 40 % sind auch dann zu versteuern, wenn der Verlustvortrag den Gewinn übersteigt. Da das sog. Wachstumschancengesetz zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch umstritten war, ist weiterhin zu beobachten, ob die Verlustvortragsquote für die Jahre 2024 bis 2027 tatsächlich von 60 % auf 75 % angehoben werden wird. Dies ist aktuell allerdings noch ungewiss.
Handlungsempfehlung:
Unabhängig vom Wachstumschancengesetz sollte aber vor diesem Hintergrund auch der Jahreswechsel 2023/2024 Anlass sein, in Verlustsituationen durch geeignete Maßnahmen das Entstehen oder die Erhöhung eines nur begrenzt abzugsfähigen Verlustvortrags zu vermeiden. Grundsätzlich sollte der drohenden Mindestbesteuerung durch eine frühzeitige Ergebnisplanung, mit deren Hilfe die anfallenden Verluste begrenzt werden, begegnet werden:
– Verbesserung des Ergebnisses der GmbH durch Verzicht des Gesellschafters auf Nutzungs- oder Tätigkeitsvergütungen bzw. Zinsen. Allerdings ist ein solcher Verzicht mit steuerlicher Rückwirkung nicht möglich, da sonst die Qualifizierung als verdeckte Einlage droht und der sich durch den Verzicht ergebende bilanzielle Ertrag vom steuerlichen Einkommen der GmbH in gleicher Höhe wieder abgezogen wird. Aus Gesellschaftersicht gilt die Vergütung zudem dennoch als zugeflossen. Der Verzicht sollte daher frühzeitig und mit Wirkung für künftige Zahlungsverpflichtungen der GmbH erfolgen.
– Vorziehen gewinnrealisierender Vorgänge auf 2023, z.B. durch Veräußerungen im Unternehmensverbund oder vorgezogene Abnahmen eines Auftrags;
– Verschieben von Aufwendungen, z.B. von Erhaltungs- oder Werbemaßnahmen, in das Jahr 2024.
– Soweit dies im Einzelfall noch zulässig ist, können zur Ergebnisbeeinflussung u.U. auch Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte anders als bisher ausgeübt werden. Spielräume bieten sich insbesondere im Bereich der Rückstellungen und auch bei der Bewertung des Vorratsvermögens.
Hinweis:
Wird für 2023 mit einem positiven Ergebnis gerechnet und bestehen Verlustvorträge, so muss die Wirkung der Mindestbesteuerung geprüft werden, da diese eben trotz ausreichend hoher Verlustvorträge zu einer Steuerbelastung führen kann.
d) Überlegungen zur Ausschüttungspolitik zum Jahreswechsel 2023/2024
Werden aktuell Gewinnausschüttungen geplant, so ist abzuwägen, ob diese noch in 2023 oder aber erst in 2024 erfolgen sollen. Bei dieser Entscheidung sind einerseits die steuerliche Situation der Gesellschaft und andererseits die des Gesellschafters zu berücksichtigen. Dabei wird zunächst davon ausgegangen, dass die Rückführung des Solidaritätszuschlags als verfassungskonform eingestuft werden wird, dazu sind allerdings auch zum Jahreswechsel 2023/2024 noch zwei Verfahren beim BFH anhängig (eine Vorlage betreffend die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätsschlags hatte das BVerfG mit Datum vom 7.6.2023 als unzulässig verworfen), so dass die weitere Rechtsentwicklung aufmerksam zu beobachten ist:
– Ist der Gesellschafter der GmbH eine natürliche Person und hält er die Geschäftsanteile in seinem steuerlichen Betriebsvermögen, so kommt die Abgeltungsteuer nicht zur Anwendung. Für die Ausschüttungspolitik ist in diesem Fall entscheidungserheblich, in welchem Veranlagungszeitraum der persönliche Spitzensteuersatz niedriger ist; in diesem Veranlagungszeitraum sollte dann ausgeschüttet werden. Gleiches gilt, wenn der Gesellschafter die Geschäftsanteile zwar in seinem steuerlichen Privatvermögen hält, die Anwendung der sog. Abgeltungsteuer aber auf Grund der Optionsmöglichkeit zur tariflichen Einkommensteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gleichwohl ausscheidet, z.B. weil ein zu mind. 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligter Gesellschafter beantragt, auf die Anwendung des besonderen Steuersatzes zu verzichten (verbunden mit der Möglichkeit zum Werbungskostenabzug).
– Ist der Gesellschafter der GmbH eine natürliche Person und hält er die Geschäftsanteile in seinem steuerlichen Privatvermögen mit der Folge, dass die sog. Abgeltungsteuer zur Anwendung kommt, macht es i.d.R. keinen Unterschied, ob die Ausschüttung in 2023 oder in 2024 erfolgt. Die Gewinnausschüttung wird in beiden Fällen mit dem Abgeltungsteuersatz von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer belastet. Rein aus Sicht des EStG ist eine differenzierte Betrachtung nur in den seltenen Ausnahmefällen erforderlich, in denen der persönliche Grenzsteuersatz unter 25 % liegt und der Gesellschafter im Rahmen der sog. „Günstigerprüfung“ eine teilweise Erstattung der sog. Abgeltungsteuer beantragen kann. Dies kann z.B. gegeben sein, wenn aus anderen Einkunftsquellen Verluste resultieren und sich deshalb eine sehr niedrige steuerliche Bemessungsgrundlage ergibt.
– Ist der Gesellschafter der GmbH seinerseits eine Kapitalgesellschaft, macht es ebenfalls keinen Unterschied, ob die Ausschüttung in 2023 oder in 2024 erfolgt, da derzeit keine Änderung des Steuertarifs bzw. der Steuerbefreiung absehbar ist.