Nach § 17 EStG gehört auch der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Grund- oder Stammkapital qualifiziert – unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % – beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Dabei setzt die Anwendung des § 17 EStG allerdings voraus, dass auch die Voraussetzungen des § 2 EStG erfüllt sind. Damit erfordert also gerade die steuerliche Geltendmachung von Veräußerungsverlusten das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht.
Vor diesem Hintergrund ist nun das Urteil des BFH v. 3.5.2023 (Az. IX R 12/22) zu sehen, in dem sich der BFH mit der Frage der Gewinnerzielungsabsicht bzw. der sog. Liebhaberei befasst und hierzu folgende Grundsätze ausgeführt hat:
– Im Rahmen des § 17 EStG ist die Gewinnerzielungsabsicht nicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils, sondern einheitlich für alle veräußerten Anteile zu prüfen, so dass sich die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte Beteiligung des Stpfl. an der Kapitalgesellschaft beziehen muss.
– Das für einen bestimmten Geschäftsanteil gezahlte Aufgeld/Agio erhöht (für Veräußerungen vor dem 1.8.2019) die Anschaffungskosten dieses Anteils, auch wenn die Summe aus dem Nennbetrag und dem Agio den Verkehrswert des Anteils übersteigt (sog. Überpari-Emission).
– Die gezielte Herbeiführung eines Verlusts durch die Veräußerung eines GmbH-Geschäftsanteils, dessen Anschaffungskosten auf Grund eines Aufgelds seinen Verkehrswert übersteigen, ist nicht ohne Weiteres rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 42 AO.
Im konkreten Streitfall hatte die Stpfl. im November 2015 als Alleingesellschafterin die A-GmbH mit einem Stammkapital von zunächst 25 000 € gegründet, deren Geschäftsgegenstand der Erwerb und die Verwaltung von Immobilien war. Mitte Dezember 2015 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine Kapitalerhöhung um 1 000 €. Hierzu schuf sie einen weiteren Geschäftsanteil im Nennbetrag von 1 000 € (Nr. des Anteils: 25 001). Auch diesen Geschäftsanteil übernahm die Stpfl. und zahlte hierfür neben dem Nennbetrag ein Aufgeld von 500 000 € in die freie Kapitalrücklage der GmbH.
Am 28.12.2015 veräußerte die Stpfl. neben 300 Geschäftsanteilen im Nennwert von je 1 € (Nrn. 24 701 bis 25 000) auch den neuen Geschäftsanteil im Nennwert von 1 000 € (Nr. 25 001) zu einem Veräußerungspreis von 26 300 € an ihren Ehemann. Nachfolgend erklärte die Stpfl. in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2015 aus der Veräußerung der GmbH-Geschäftsanteile einen gem. § 17 EStG zu berücksichtigenden Verlust (unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) i.H.v. 285 T€.
Demgegenüber erkannte die FinVerw den aus der Veräußerung des neu geschaffenen Geschäftsanteils Nr. 25 001 herrührenden Verlust nicht an. In Anbetracht der hohen Anschaffungskosten (1 000 € Nennwert zzgl. 500 000 € Aufgeld) habe es der Stpfl. an einer Gewinnerzielungsabsicht gefehlt. Daher ermittelte die FinVerw einen Gewinn i.S.d. § 17 EStG lediglich aus der Veräußerung der Anteile der Nr. 24 701 bis 25 000, weil sie argumentierte, dass die Einkunftsquelle i.S.v. § 17 EStG der jeweilige zivilrechtlich selbständige und auch separat veräußerbare Anteil an der Kapitalgesellschaft sei.
Der BFH hat gegen diese Auffassung das Ergebnis der Vorinstanz bestätigt und insbesondere ausgeführt, dass
– der BFH in ständiger Rechtsprechung vom Vorliegen der notwendigen Gewinnerzielungsabsicht bei den Einkünften aus § 17 EStG im Regelfall auch dann ausgeht, wenn die Beteiligung nur kurze Zeit gehalten wurde,
– Veräußerungsverluste, die generiert werden, um steuerliche Vorteile zu erzielen, i.d.R. auch nicht die Gewinnerzielungsabsicht in Frage stellen, sondern dahingehend zu würdigen sind, ob rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO missbraucht wurden,
– und dass sich die Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte gehaltene Beteiligung an der GmbH beziehen muss, also eine Einzelbetrachtung jedes veräußerten Geschäftsanteils bzw. der Gesamtheit der veräußerten Geschäftsanteile ausgeschlossen ist.
Schließlich sei bei der Prüfung, ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, nicht etwa ein Periodengewinn, sondern der Totalgewinn als Ergebnis der steuerrelevanten Tätigkeit oder Nutzung von Kapitalvermögen zu betrachten. Darüber hinaus erfasse der Maßstab Totalgewinn nicht nur die Wertsteigerungen, sondern zusätzlich auch die laufenden Erträge. Außerdem sei der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH sowohl hinsichtlich des Veräußerungspreises als auch der Anschaffungskosten anteilsbezogen zu bestimmen (ein durchschnittlicher Anschaffungspreis sei nicht zulässig).
Hinweis:
Der BFH hat i.Ü. auch zur Frage eines sog. Gestaltungsmissbrauchs die Dispositionsfreiheit betont und ausgeführt, dass es einem Stpfl. grundsätzlich freisteht, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußere. Im Streitfall sei mit dem Aufgeld zudem der Zweck verfolgt worden, der GmbH Finanzmittel zukommen zu lassen – dies sei aus Gestaltungssicht nicht unangemessen.
Für die Praxis ist i.Ü. noch herauszustellen, dass nach dem mit Gesetz vom Dezember 2019 eingefügten § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG für Veräußerungen nach dem 31.7.2019 die im Zuge einer Kapitalerhöhung geleisteten Aufgelder auf die gesamten Anteile einschließlich der im Rahmen der Kapitalerhöhung erhaltenen neuen Anteile gleichmäßig zu verteilen sind. Dem im Urteilsfall gestalteten Sachverhalt wurde durch diese Neuregelung teilweise die Grundlage entzogen.