Im Privatvermögen gehaltene Immobilien können im Grundsatz nach einer zehnjährigen Haltedauer ohne steuerliche Belastung veräußert werden. Erfolgt die Veräußerung dagegen innerhalb der Spanne von zehn Jahren nach dem Erwerb, so wird ein Veräußerungsgewinn (und auch -verlust) grundsätzlich steuerlich erfasst. Insoweit gibt es aber eine wichtige Rückausnahme (welche dann wieder zu einer steuerlichen Nichterfassung führt): Ausgenommen von der Besteuerung sind auch innerhalb des Zehnjahreszeitraums Immobilien, die
– im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder
– im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
Die „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ erfordert eine tatsächliche Nutzung als Wohnung vom Stpfl. selbst. Die Immobilie muss vom Stpfl. allein, mit seinen Familienangehörigen oder gemeinsam mit einem Dritten bewohnt werden. „Eigene Wohnzwecke“ liegen nicht vor, wenn der Stpfl. die Wohnung einem Dritten entgeltlich oder unentgeltlich überlässt. Allerdings gilt die unentgeltliche Überlassung an Kinder, für die ein Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag besteht, als Selbstnutzung. Dagegen stellt die Überlassung an einen getrennt lebenden Ehepartner oder an andere Angehörige (z.B. Eltern) keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar.
Diese Voraussetzung der „Selbstnutzung“ wird restriktiv ausgelegt, wie aktuelle Entscheidungen zeigen:
Nutzung durch den geschiedenen Ehegatten
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt nicht vor, wenn eine Nutzungsüberlassung (auch) an den geschiedenen Ehegatten erfolgt, wie der BFH mit Urteil vom 14.11.2023 (Az. IX R 10/22) bestätigt.
Zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung übertrug die Kindesmutter im Rahmen der Ehescheidung auf Grund der Scheidungsfolgenvereinbarung vom xx.xx.2014 ihren Miteigentumsanteil an der Immobilie auf den Stpfl. Nach der Scheidungsfolgenvereinbarung stand der Kindesmutter jedoch das Recht zu, die Immobilie bis zum 31.12.2018 unentgeltlich zu nutzen. Mit notariellem Kaufvertrag vom xx.xx.2018 verkaufte der Stpfl. die Immobilie.
Das FA berücksichtigte in Hinblick auf die Veräußerung der Immobilie bei der Einkommensteuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 2018 Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft, da der im Jahr 2014 im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung erworbene Miteigentumsanteil innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert wurde. Eine Steuerbefreiung wegen einer Eigennutzung des Stpfl. liege nicht vor. Dies bestätigte nun auch der BFH. Auch die Nutzung durch die Kinder konnte dem Stpfl. nicht als Eigennutzung zugerechnet werden, da neben den Kindern zugleich die Kindesmutter die Immobilie bewohnte. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liege nur vor, wenn unterhaltsberechtigte Personen – wie Kinder – typischerweise zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft des Stpfl. gehören. Dies sei bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, die nicht mehr Teil einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sind, nicht der Fall.
Überlassung an (Schwieger-)Mutter
Auch bei der Nutzungsüberlassung an die (Schwieger-)Mutter des Stpfl. liegt keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor, wie der BFH mit Urteil vom 14.11.2023 (Az. IX R 13/23) entschied. Das Gericht bestätigt, dass die Überlassung an nahe Angehörige keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in diesem Sinne ist.
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei Abtrennung und Veräußerung eines unbebauten Teils des Wohngrundstücks
Der Tatbestand der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken erstreckt sich nicht nur auf das Gebäude, sondern auch auf den dazugehörigen Grund und Boden. Dies findet allerdings eine Grenze, wenn von dem Grundstück ein bislang nicht bebauter Teil abgetrennt und anschließend veräußert wird, wie der BFH mit Entscheidung vom 26.9.2023 (Az. IX R 14/22) herausstellt.
In zeitlichem Zusammenhang mit Verkaufsgesprächen veranlassten die Stpfl. die Teilung ihres Grundstücks. Das Flurstück 10/1 umfasst das bestehende Wohngebäude und die restlichen Freiflächen. Mit notariell beurkundetem Vertrag aus 2019 veräußerten die Stpfl. das Flurstück 10/2. Das FA sah insoweit ein der ESt zu unterwerfendes privates Veräußerungsgeschäft.
Der BFH bestätigt die Auffassung des FA. Zwischen dem im Jahr 2014 angeschafften Flurstück 10 und dem im Streitjahr veräußerten Flurstück 10/2 besteht wirtschaftliche Teilidentität. Bei dem Flurstück 10/2 handelt es sich um eine unbebaute Teilfläche des ursprünglichen Flurstücks 10 und nicht um ein qualitativ anderes Wirtschaftsgut. Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grund und Boden entfalle, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Die beiden dadurch entstandenen Grundstücke seien in Bezug auf ihre „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ jeweils getrennt zu betrachten.
Handlungsempfehlung:
Diese Rechtsprechung bestätigt, dass im Einzelfall sehr sorgfältig zu prüfen ist, ob eine Grundstücksveräußerung innerhalb der Zehnjahresfrist der Einkommensteuer unterliegt.