Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht im Regelfall nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind allerdings nur dann berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind insoweit unschädlich.
Vor diesem Hintergrund ist der Fall zu sehen, über den der BFH nun zu entscheiden hatte. Beantragt wurde Kindergeld für die Tochter T. Diese begann nach der mit dem Abitur abgeschlossenen Schulausbildung im September 2017 eine dreijährige Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (duales Studium), die sie im August 2020 erfolgreich abschloss. Anschließend nahm sie eine Tätigkeit in der FinVerw auf, die sie zunächst in Vollzeit (40 Wochenstunden) und ab Dezember 2020 in Teilzeit (28 Wochenstunden, Montag bis Freitag jeweils von 06:00 Uhr bis 11:45 Uhr) ausübte. Im Oktober 2020 begann T ein Studium der Rechtswissenschaften. Die Familienkasse gewährte der Stpfl. bis einschließlich August 2020 Kindergeld. Eine weitergehende Kindergeldgewährung ab September 2020 lehnte die Familienkasse mit der Begründung ab, dass T bereits eine erste Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen habe und einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgehe.
Der BFH bestätigt nun mit Entscheidung v. 7.4.2022 (Az. III R 22/21) die Ansicht der Finanzkasse. Im Kern geht es um die Abgrenzung einer einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung).
Insoweit ist eine einheitliche Erstausbildung nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen. Nach der Rechtsprechung kommt es bei dieser Prüfung insbesondere darauf an, auf welche Dauer das Kind das Beschäftigungsverhältnis vereinbart hat, in welchem Umfang die vereinbarte Arbeitszeit die 20-Stundengrenze überschreitet, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen, ob die ausgeübte Berufstätigkeit die durch den ersten Abschluss erlangte Qualifikation erfordert und inwieweit die Ausbildungsmaßnahmen und die Berufstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung und auf ihren Inhalt aufeinander abgestimmt sind. Diese Aufzählung ist allerdings nicht abschließend und muss stets auf den Einzelfall angewendet werden.
Für den Streitfall kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass zu Recht die Auffassung vertreten worden sei, dass das Studium der Rechtswissenschaften gegenüber der anschließend aufgenommenen Erwerbstätigkeit in den Hintergrund trat. Hierfür sprachen folgende Punkte:
– Vorliegend hatte sich T nach der Erlangung ihres Abschlusses als Diplom-Finanzwirtin in einem längerfristigen Beschäftigungsverhältnis an die Landesfinanzverwaltung als Dienstherr gebunden. Dies geschah schon deshalb, weil T vermeiden wollte, eine Abstandszahlung von 30 000 € leisten zu müssen, die sich erst innerhalb einer Dienstzeit von fünf Jahren um jährlich ein Fünftel auf 0 € reduziert. Dieses Kriterium spricht daher für eine im Vordergrund stehende Berufsausübung.
– Auch habe T ihren Abschluss als Diplom-Finanzwirtin genutzt, um im erlernten Beruf zu arbeiten, was dafür spricht, dass die Berufsausübung im Vordergrund stand.
– Daneben hat T allenfalls gleichviel Zeit in das Studium und in die Erwerbstätigkeit investiert, wobei sich die Ausbildungszeiten nach den arbeitsfreien Zeiten gerichtet haben.
Handlungsempfehlung:
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Frage, ob eine schädliche Erwerbstätigkeit vorliegt, stets nur für den Einzelfall beurteilt werden kann. Somit sind zunächst eine genaue Aufklärung und Dokumentation des Sachverhalts erforderlich.