Für alle Steuerpflichtigen

Kindergeld: Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

4. Mai 2022


Der BFH hat in mehreren Entscheidungen vom 31.8.2021 (insbesondere Az. III R 41/19) zur sehr praxisrelevanten Frage Stellung genommen, ob und unter welchen Bedingungen ein Kindergeldanspruch besteht für ein Kind, das krankheitsbedingt die Ausbildung abgebrochen hat. Hintergrund ist, dass volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres insbesondere kindergeldberechtigt sind, wenn diese für einen Beruf ausgebildet werden. In mehreren Fällen war nun strittig, ob und unter welchen Bedingungen der Kindergeldanspruch fortbesteht, wenn die Berufsausbildung krankheitsbedingt abgebrochen wird. Hierzu gibt der BFH nun folgende Leitlinien:





–  Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung scheidet aus, sobald ein Kind sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern – z.B. durch Abmeldung von der (Hoch-)Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses – abgebrochen hat.





–  Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird – abgesehen von dem Ausnahmefall, dass eine Kindergeldberechtigung auch dann besteht, wenn eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht begonnen oder fortsetzt werden kann.





–  Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.





Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen im Falle der erfolgreichen Bewerbung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt eine Berücksichtigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht:





–  Zunächst muss es sich regelmäßig um eine vorübergehende Krankheit handeln. Bei einer dauerhaften Erkrankung kann allerdings in Ausnahmefällen die Berücksichtigung des Kindes dann in Betracht kommen, wenn dieses wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.





–  Des Weiteren ist erforderlich, dass die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den entsprechenden Anspruchszeitraum nachgewiesen wird. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Als Nachweis können z.B. Bewerbungen um eine Ausbildungsstelle oder um die Aufnahme an einer Schule dienen.





–  Die Ausbildungswilligkeit eines wegen vorübergehender Erkrankung an Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder an der Aufnahme einer Ausbildung gehinderten Kindes ist ebenfalls für die Monate, für die der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird, zu belegen. Die Kindergeldstellen fordern insoweit als Nachweis eine schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen. Denkbar sind daher auch andere Nachweise, etwa dergestalt, dass das Kind während der Erkrankung mit der früheren Ausbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat. Denkbar ist auch, dass sich das Kind während der Erkrankung um eine andere Ausbildungsstelle bemüht hat.





Hinweis:





Das Gericht führt ausdrücklich aus, dass es regelmäßig nicht ausreichend ist, wenn der Kindergeldberechtigte die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet, indem er etwa zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht die Familienkasse nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder die Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert und der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt.





Handlungsempfehlung:





In der Praxis ist also für den Einzelfall streng zu beachten, dass (a) die Nachweispflichten gegenüber der Familienkasse erbracht werden, (b) die Bemühungen um die Fortsetzung der Berufsausbildung oder die Suche einer anderen Ausbildung sorgfältig nachzuweisen sind und (c) der Verlauf der Krankheit zu dokumentieren ist. Letztlich muss jeder Fall anhand der individuellen Verhältnisse beurteilt und dann entschieden werden.


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