Wohngebäude sind in der Regel mit dem gesetzlich typisierten Satz von 2 % abzuschreiben. Es wird also eine Nutzungsdauer von 50 Jahren angenommen. Nur dann, wenn die tatsächliche Nutzungsdauer kürzer ist, kann diese angesetzt werden. Das FG Münster hatte nun über die Nachweisanforderungen hinsichtlich einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer zu entscheiden.
Im Urteilsfall hatte der Stpfl. die Immobilie in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Wegen des zum damaligen Zeitpunkt anstehenden Eigentümerwechsels wurde für das Grundstück im Auftrag des Amtsgerichts vom öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Grundstücksbewertung ein Wertgutachten erstellt. Der Gutachter ging wegen „Modernisierung und Zustand am Stichtag“ (fiktiv) von einem Baujahr 1960 aus. Die Gesamtnutzungsdauer des Wohngebäudes gab er mit 80 Jahren an, die Restnutzungsdauer mit 30 Jahren. Der Sachverständige ermittelte einen Wert für das bebaute Grundstück in Höhe von 230 000 €. Hierfür führte er eine Ertragswertermittlung und eine Vergleichswertermittlung nach der auf den Stichtag der Bewertung der streitigen Immobilie geltenden Wertermittlungsverordnung durch.
Der Stpfl. machte in seinen Einkommensteuererklärungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre 2012 bis 2016 unter Berücksichtigung einer geschätzten Restnutzungsdauer von 30 Jahren eine erhöhte AfA von 3,33 % der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten statt der gesetzlich vorgesehenen 2 % geltend. Dies erkannte das Finanzamt nicht an.
Das FG Münster erkannte nun aber mit Urteil vom 27.1.2022 (Az. 1 K 1741/18 E) den erhöhten Abschreibungssatz an:
– Grundsätzlich ist ein Gebäude zwar nach festen gesetzlichen Abschreibungssätzen (im Streitfall 2 % pro Jahr) abzuschreiben. Weist der Stpfl. dagegen nach, dass tatsächlich von einer kürzeren Nutzungsdauer auszugehen ist, so kann diese Nutzungsdauer zu Grunde gelegt werden.
– Es ist Sache des Stpfl., im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer darzulegen und ggf. nachzuweisen. Der Stpfl. kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint; erforderlich ist insoweit, dass die Darlegungen des Stpfl. Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten, z.B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen, und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist.
Hinweis:
Dies bestätigt, dass an den Nachweis keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden können. Dennoch muss äußerste Sorgfalt auf das beigebrachte Sachverständigengutachten gelegt werden.