Die sog. körperschaftsteuerliche Organschaft ist als steuerliches Gestaltungsinstrument weit verbreitet. Sie bietet neben anderen Vorteilen insbesondere die Möglichkeit, Verluste der Organgesellschaft (einer Kapitalgesellschaft) mit steuerlicher Wirkung beim Organträger (einer Kapital- oder Personengesellschaft) geltend zu machen (also Gewinne und Verluste innerhalb eines Konzerns – zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft – zu verrechnen). Zivilrechtlich selbständige Gesellschaften/Einheiten können faktisch wie ein einheitliches Unternehmen besteuert werden. Dazu setzt die Organschaft für ihre Anerkennung aber neben der sog. finanziellen Eingliederung, die beim Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an den Anteilen an der Organgesellschaft erfordert, insbesondere den Abschluss und die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags (GAV) voraus; dieser GAV muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen sein.
Vor diesem Hintergrund ist nun das Urteil des BFH vom 13.7.2022 (Az. I R 42/18) zur Frage der tatsächlichen Laufzeit eines Ergebnisabführungsvertrags zu sehen. Im konkreten Streitfall hatte eine Mitte 1991 gegründete GmbH geklagt, deren Alleingesellschafterin eine Holding-GmbH war. Ende 1991 schlossen die beiden GmbH einen notariellen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag, der bis zum 31.12.1996 datiert war; eine vorzeitige Kündigung sollte nur aus wichtigem Grund zulässig sein. Mit Nachtragsvermerk gemäß § 44a Abs. 2 Satz 1 und 2 BeurkG stellte der Amtsnachfolger des den GAV beurkundenden Notars viele Jahre später (im Jahr 2012) richtig, dass hier ein Absatz fehlte bzw. zu ergänzen war (die Verlängerungsklausel): „Wird der Vertrag nicht 1 Jahr vor seinem Ablauf schriftlich gekündigt, verlängert er sich um jeweils 1 weiteres Jahr“.
Die Stpfl. führte auch in den Jahren 2006 bis 2009 auf der Grundlage des GAV ihren Gewinn an die Holding-GmbH ab. Das FA versagte dem GAV jedoch die steuerrechtliche Anerkennung und rechnete den Gewinn in Höhe der Gewinnabführungen außerbilanziell als verdeckte Gewinnausschüttungen hinzu.
Der BFH hat dieses Ergebnis, dass in den Streitjahren zwischen der Stpfl. und der Holding-GmbH kein steuerrechtlich wirksamer GAV und damit keine Organschaft gemäß §§ 14, 17 KStG bestanden hat, bestätigt, weil die Vertragslaufzeit wegen fehlender Verlängerung abgelaufen war.
Hierzu hat der BFH u.a. ausgeführt, dass
– GAV nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen sind,
– wenn sich im Vertrag und in den allgemein zugänglichen Unterlagen kein eindeutiger Beleg für den dem Wortlaut entgegenstehenden subjektiven Willen der Vertragsparteien (hier: zur automatischen Vertragsverlängerung) finde, auch kein Raum für dessen Berücksichtigung sei, und
– ausgeschlossen sein müsse, dass den Vertragsparteien je nach wirtschaftlicher und steuerlicher Situation ein „faktisches Wahlrecht“ eingeräumt wird, sich auf den konkreten Vertragstext oder auf ein Redaktionsversehen zu berufen.
– Im Streitfall sei anhand der Vertragsurkunde des GAV auch durch Auslegung nicht zu ermitteln, für welchen Zeitraum und unter welchen Voraussetzungen die Verlängerung nach dem Willen der Vertragsparteien hätte eintreten sollen.
– Dem Nachtragsvermerk des Notars komme keine steuerliche Wirkung zu, er könne steuerlich ohnehin nicht in die Streitjahre zurückwirken. Eine steuerliche Rückwirkung scheide jedenfalls dann aus, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus ergibt und unklar ist, wie eine mögliche Lücke in der Vertragsurkunde zu füllen ist.
Hinweis:
Auch dieses Urteil unterstreicht, dass bei der Abfassung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen höchste Sorgfalt geboten ist. Unschärfen gehen steuerlich i.d.R. zu Lasten der beteiligten Unternehmen. So hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bspw. auch einen GAV wegen nicht erfüllter Mindestlaufzeit verworfen, weil dieser GAV nach seinem Wortlaut am 30.12.xx enden sollte – und eben nicht erst am 31.12.xx.
Anderslautende Rechtsprechungsergebnisse wären allerdings auch nicht praktikabel, da dies bedeuten würde, dass sich in allen Fällen derartiger Vertragslücken oder einschlägigen Tippfehlern der Stpfl. je nach der Entwicklung der wirtschaftlichen und steuerlichen Situation von Organträger und Organgesellschaft entweder auf den konkreten Vertragswortlaut (dann keine Organschaft und Gewinnzurechnung bei der Organgesellschaft) oder aber auf ein Notariatsversehen (dann Organschaft und Gewinnzurechnung bei dem Organträger) berufen können.