Mit seinem Urteil vom 2.11.2022 (Az. I R 37/19) hat der BFH entschieden,
– dass sich die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG) nicht nur auf den Schlusspunkt des Ausgleichs aller aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten bezieht,
– sondern dass die entsprechenden Forderungen und Verbindlichkeiten auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden müssen,
– und dass, wenn es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags komme, dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume führe, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.
Im Urteilsfall war für die Streitjahre 2009 bis 2012 die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags und die damit zusammenhängende Anerkennung einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft strittig. Geklagt hatte eine GmbH, deren Anteile zu 100 % in 2008 von der B-GmbH erworben worden waren. Mit Wirkung ab 2009 vereinbarten die GmbH einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag, der nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit seinem Wirksamwerden kündbar war.
In den Streitjahren erwirtschaftete die Stpfl. jeweils Gewinne, im Jahr 2013 jedoch einen Verlust. Die Bilanz zum 31.12.2013 wurde am 10.11.2014 erstellt; eine Forderung der Stpfl. gegenüber der B-GmbH war darin nicht berücksichtigt. Im Februar 2024 zahlte die B-GmbH unter Angabe eines entsprechenden Überweisungszwecks den Verlustausgleich an die Stpfl. Das Finanzamt versagte das Vorliegen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft rückwirkend ab 2009, da der Anspruch der Stpfl. auf Ausgleich des im Jahr 2013 erwirtschafteten Verlusts weder bei der Stpfl. noch bei der B-GmbH bilanziell berücksichtigt worden sei und der Gewinnabführungsvertrag jedenfalls für das Jahr 2013 und damit innerhalb der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren nicht tatsächlich durchgeführt worden sei.
Der BFH hat dieses Ergebnis bestätigt und ausgeführt, dass die tatsächliche Durchführung eines EAV voraussetzt, dass dieser entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird, also die Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden. Die reine Buchung der Forderung ohne Erfüllungswirkung sei dagegen nicht ausreichend. Die Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des EAV erfordere, dass dieser während der gesamten Geltungsdauer auch tatsächlich „gelebt“ werde. Schon vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung/Verrechnung müsse daher objektiv erkennbar sein, dass sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft ihre zivilrechtlichen Vertragspflichten aus dem EAV erfüllen werden. Daraus folge, dass die entsprechenden Forderungen/Verbindlichkeiten auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden müssen.
Hinweis:
In der praktischen Umsetzung ist also mit höchster Sorgfalt auch schon auf die korrekte bilanzielle Abbildung der Organschaft zu achten. Denn nach der Entscheidung des BFH (die i.Ü. explizit gegen einen Teil der Auffassung in der Fachliteratur getroffen wurde) kann eine – wie im Streitfall – fehlerhafte Bilanzierung des Ausgleichsanspruchs auch nicht als fehlerhafter Bilanzansatz i.S. der Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 KStG angesehen werden; eine „Heilung“ über diese Fiktion scheidet aus.