Das Bundesverfassungsgericht hat die lange erwartete Entscheidung zur steuerlichen Behandlung von Erstausbildungskosten verkündet. Mit Beschluss vom 19.11.2019 (Aktenzeichen 2 BvL 22/14, 2 BvL 27/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 23/14) stellt das Gericht fest, dass die Regelung des Einkommensteuergesetzes, wonach Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können, verfassungsgemäß ist. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass es für die Regelung sachlich einleuchtende Gründe gibt. Der Gesetzgeber durfte solche Aufwendungen als privat (mit-)veranlasst qualifizieren und den Sonderausgaben zuordnen. Die Erstausbildung oder das Erststudium unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittelt nicht nur Berufswissen, sondern prägt die Person in einem umfassenderen Sinne, indem sie die Möglichkeit bietet, sich seinen Begabungen und Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln und allgemeine Kompetenzen zu erwerben, die nicht zwangsläufig für einen künftigen konkreten Beruf notwendig sind. Sie weist eine besondere Nähe zur Persönlichkeitsentwicklung auf. Auch die Begrenzung des Sonderausgabenabzugs für Erstausbildungskosten auf einen Höchstbetrag von im Streitjahr 4 000 € (aktuell: 6 000 €) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Hintergrund ist, dass einkommensteuerlich wie folgt unterschieden wird:
- Erstausbildung/Erststudium: Kosten einer Erstausbildung bzw. eines Erststudiums – soweit nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolviert – können bei der Einkommensteuer nur begrenzt auf einen Betrag von 6 000 € pro Jahr als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Sonderausgaben können mit in diesem Jahr erzielten Einkünften verrechnet werden und wirken sich dann steuermindernd aus. Werden in dem entsprechenden Jahr aber keine Einkünfte erzielt, so wirkt sich der Sonderausgabenabzug steuerlich nicht aus. Dies ist vielfach bei Personen der Fall, die sich in einer Erstausbildung befinden oder ein Erststudium absolvieren.
- Weitere Ausbildung/Studium: Dagegen können nach erfolgreicher Absolvierung einer Erstausbildung oder eines Erststudiums Kosten einer weiteren Ausbildung oder eines weiteren Studiums dann als vorweggenommene Werbungskosten im Zusammenhang mit der späteren Berufstätigkeit geltend gemacht werden und führen ggf. zu steuerlichen Verlustvorträgen, die dann später mit Einnahmen verrechnet werden können.
Nunmehr gewinnt also die Abgrenzung des Begriffs der Erstausbildung wieder große Bedeutung, da erst danach erfolgende Ausbildungsabschnitte zu vorweggenommenen Werbungskosten führen können. Gesetzlich ist geregelt, dass eine Berufsausbildung als Erstausbildung nur vorliegt, wenn eine auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geordnete Ausbildung mit einer vorgesehenen Dauer von mindestens 12 Monaten (bei vollzeitiger Ausbildung) und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Durch die Mindestdauer von 12 Monaten soll erreicht werden, dass die Aufwendungen für ein Erststudium im Anschluss an eine kurzzeitige Ausbildung (z.B. als Skilehrer oder Taxifahrer) nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden können.
Hinweis:
Es gibt eine umfangreiche Rechtsprechung zum Begriff „Erstausbildung“ im Bereich Kinderfreibetrag/Kindergeld. Diese kann jedoch nur mit Einschränkungen auf den Werbungskostenabzug angewendet werden.