Der Bundesfinanzhof hatte sich erneut mit einem Schätzungsfall zu beschäftigen. Der Urteilsfall ist äußerst praxisrelevant. Es ging um einen Stuckateur, der neben seiner Arbeitnehmertätigkeit nicht deklarierte gewerbliche Verputzarbeiten und Gerüstverleihungen vorgenommen hatte („Schwarzarbeit“). Ans Licht kam dies durch den Bruder des Stpfl., der diesen offenbar nach einem Streit angezeigt hatte. Dieser erklärte gegenüber der Zollverwaltung, der Stpfl. sei seit 20 Jahren auch gewerblich als Stuckateur tätig. Er führe Außen- und Innenputzarbeiten durch und habe ein eigenes Baugerüst, eine Verputzmaschine und einen Anhänger angeschafft. Die Vergütungen würden in bar entrichtet. Der Stpfl. berechne 5 bis 6 € je qm verputzter Fläche zzgl. Sonderleistungen (z.B. Stellung des Gerüsts). Insgesamt erhalte er je Gebäude durchschnittlich ca. 5 000 €. Bei den Arbeiten hätten ihm Verwandte – auch er selbst – geholfen; soweit dies entgeltlich geschehen sei, habe der Stpfl. deren Löhne bar ausgezahlt. Das erforderliche Material hätten die Bauherren selbst einkaufen müssen.
Daraufhin begann das Finanzamt eine Steuerfahndungsprüfung. Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Stpfl. wurden zahlreiche Bareinzahlungen auf die Bankkonten des Stpfl. sowie ein vom Stpfl. erstellter Kostenvoranschlag bekannt. Ferner vernahm die Steuerfahndung erneut B sowie mehrere Personen, die sie als Auftraggeber des Stpfl. ansah. Ausweislich der Vernehmungsprotokolle haben diese Personen durchweg zugestanden, den Stpfl. mit Verputzleistungen bzw. der Zurverfügungstellung eines Gerüsts beauftragt zu haben. Entgeltzahlungen haben sie aber überwiegend nur für die Zeit außerhalb der Streitjahre eingeräumt. Letztlich erfolgte durch die Steuerfahndungsprüfung eine Schätzung, welche aus einer Bargeldverkehrsrechnung abgeleitet wurde. Im Einspruchsverfahren nahm das Finanzamt umfangreiche Veränderungen in der Bargeldverkehrsrechnung vor. Als „Mindestbetrag“ der Schätzung wurden die Bareinzahlungen auf den Girokonten des Stpfl. zuzüglich eines Sicherheitszuschlags angesetzt. Im anschließenden Finanzgerichtsprozess wurde dann der Bruder des Stpfl. als Zeuge geladen. Dieser machte aber von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.
Der Bundesfinanzhof stellt nun mit Urteil vom 12.2.2020 (Aktenzeichen X R 9/19) zweierlei fest:
- Entgegen der bisherigen Rechtsprechung darf das Finanzgericht die Urkunde über die vorgerichtliche Vernehmung eines seinerzeit ordnungsgemäß belehrten Zeugen auch dann verwerten, wenn der Zeuge sich vor dem Finanzgericht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht beruft.
- Die vom Finanzamt und Finanzgericht erfolgte Schätzung hielt einer Überprüfung aber nicht stand. Wenn das Finanzgericht Bareinzahlungen auf Bankkonten des Stpfl. als Ausgangsgröße für die Schätzung nicht erklärter Betriebseinnahmen heranzieht, darf es solche Bareinzahlungen, die der Stpfl. nach der eigenen Würdigung des Gerichts ausreichend und nachvollziehbar erläutert hat, nicht zugleich als „Schwarzeinnahmen“ und damit als zusätzliche Betriebseinnahmen ansehen.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, dass vom Finanzamt vorgenommene Schätzungen sorgfältig überprüft werden müssen. Insbesondere muss ein Nachweis hinsichtlich Bareinnahmen auf privaten Konten geführt werden können.