Für GmbH-Gesellschafter und GmbH- Geschäftsführer

Steuerliche Behandlung eines punktuell satzungsdurchbrechenden inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses

3. April 2023


Mit seinem Urteil v. 28.9.2022 (Az. VIII R 20/20) hat sich der BFH explizit gegen die Auffassung der FinVerw gestellt und entschieden, dass





–  ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zu Grunde zu legen ist,





–  der Gesellschafter, an den nach einem solchen Beschluss kein Gewinn verteilt wird, auch nicht den Tatbestand der Einkünfteerzielung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht, und





–  die Frage, ob eine inkongruente Vorabgewinnausschüttung nach § 42 AO gestaltungsmissbräuchlich ist, bei zivilrechtlich wirksamen punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlüssen nach denselben Maßstäben zu beurteilen ist, die für satzungsgemäße inkongruente Ausschüttungen gelten.





Im konkreten Streitfall hatte ein Stpfl. geklagt, der zu 50 % an der K-GmbH beteiligt und zudem ihr Geschäftsführer war. Die restlichen 50 % hielt die T-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer in den Streitjahren ebenfalls der Stpfl. war. Nach dem Gesellschaftsvertrag der K-GmbH hatten deren Gesellschafter über die Gewährung und die Entnahme von Vorschüssen auf die voraussichtlichen Jahresgewinnansprüche während eines laufenden Geschäftsjahres durch Beschluss mit einfacher Mehrheit zu entscheiden. Auch über die Verwendung des Jahresgewinns hatten die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss zu entscheiden. Der Gesellschaftsvertrag der K-GmbH enthielt allerdings keine Regelung zur Gewinnverteilung. In den Streitjahren (2012 bis 2015) fasste die Gesellschafterversammlung der K-GmbH jeweils einstimmig Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse. Die Vorabausschüttungen wurden nach den Beschlüssen nur an die T-GmbH verteilt und an diese ausgezahlt. Der Stpfl. erklärte, keine Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen zu haben, die FinVerw vertrat demgegenüber die Auffassung, dass diesem auf Grund der ihrer Ansicht nach zivilrechtlichen Nichtigkeit der Ausschüttungsbeschlüsse 50 % der ausgeschütteten Beträge zuzurechnen seien. Der BFH hat diese Auffassung verworfen:





–  Der Stpfl. habe auf Grund der Vorabgewinnausschüttungen keine Einkünfte aus Gewinnanteilen (Dividenden) gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt, weil die inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse, in denen an ihn keine Ausschüttungsbeträge verteilt wurden, zivilrechtlich wirksam seien.





–  Die auf Vorabgewinnausschüttungsbeschlüssen beruhenden Ausschüttungen seien Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.





–  Die im Streitfall gefassten Beschlüsse über die inkongruenten Vorabgewinnausschüttungen würden zwar der Satzung der K-GmbH widersprechen, seien aber entgegen der Auffassung des FA und des BMF nicht nichtig, sondern als punktuell satzungsdurchbrechende Ausschüttungsbeschlüsse mangels Anfechtbarkeit zivilrechtlich wirksam und bindend.





–  Bei derartigen satzungsdurchbrechenden Beschlüssen sei zu unterscheiden in einerseits solche mit Dauerwirkung und andererseits solche nur punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlüsse, deren Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, so dass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll. Derart punktuell wirkende Beschlüsse seien nicht nichtig, aber bei der GmbH grundsätzlich anfechtbar. Im Streitfall hätten allerdings alle Gesellschafter ihre Anfechtungsberechtigung durch Zustimmung zum Beschluss verloren.





–  Eine allgemeine steuerliche Angemessenheitskontrolle zivilrechtlich wirksam beschlossener inkongruenter Gewinnausschüttungen sei ebenfalls abzulehnen.





–  Auch habe der Stpfl. keine Einkünfte aus vGA gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erzielt, da es sich um offene Ausschüttungen an die T-GmbH gehandelt habe.





–  Im Übrigen sei auch das Vorliegen eines sog. Gestaltungsmissbrauchs i.S.d. § 42 AO (schon deshalb) zu verneinen, weil dem Stpfl. kein steuerlicher Vorteil entstanden sei.





Hinweis: Der BFH führt insoweit seine Rechtsprechung fort, nach der inkongruente Gewinnausschüttungen steuerlich durchaus anzuerkennen sein können. In der Praxis bietet dies große Gestaltungsspielräume.


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