Mit seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 29.11.2019 (Aktenzeichen 1 K 88/16) hat sich das Schleswig-Holsteinische FG mit den subjektiven Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) befasst und entschieden, dass ein Irrtum der für die Kapitalgesellschaft handelnden Person der Annahme einer vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dann nicht entgegensteht, wenn der Irrtum einem gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter nicht unterlaufen wäre.
Im Streitfall hatte eine GmbH geklagt, deren alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin Frau B war, die neben einer Bareinlage auch ihren (100 %-igen) Geschäftsanteil an der A-GmbH eingebracht hatte, deren Geschäftsführerin Frau B ebenfalls war. Ende 2008 erfolgte bei der A-GmbH eine Kapitalerhöhung von 25 000 € auf 100 000 €. Ursprünglich war beabsichtigt, dass die zusätzliche Kapitaleinlage von der GmbH erbracht werden und diese auch den durch die Kapitalerhöhung entstehenden neuen Geschäftsanteil erwerben sollte. Notariell beurkundet wurde hingegen ein Gesellschafterbeschluss, demzufolge Frau B – und nicht die GmbH – zum Erwerb des neuen Geschäftsanteils zugelassen wurde. Beim Beurkundungstermin war Frau B als Geschäftsführerin der GmbH zugegen und unterzeichnete die Urkunde. Kurz darauf erbrachte die GmbH die zusätzliche Kapitaleinlage, die Kapitalerhöhung wurde Anfang 2009 entsprechend dem beurkundeten Gesellschafterbeschluss ins Handelsregister eingetragen.
Die GmbH bilanzierte in der Folge beide Geschäftsanteile an der A-GmbH in ihrem Anlagevermögen. Zudem wurden in der Folgezeit Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der A-GmbH allein durch die GmbH als Gesellschafterin gefasst. Das FA vertrat dazu die Auffassung, dass die GmbH im Jahr 2008 zugunsten von Frau B auf eine Teilnahme an der Kapitalerhöhung bei der A-GmbH verzichtet habe. In diesem Verzicht liege eine vGA zugunsten von Frau B, die mit dem Teilwert des im Rahmen der Kapitalerhöhung erworbenen Geschäftsanteils zu bewerten sei. Auch sei die Einzahlung der Stammeinlage i.H.v. 75 000 € durch die Stpfl. statt durch Frau B als vGA zu qualifizieren.
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen und in seiner Begründung folgende Aspekte hervorgehoben:
- Auf der Grundlage des Gesellschafterbeschlusses sei Frau B (unstreitig) zivilrechtliche Eigentümerin des durch die Kapitalerhöhung bei der A-GmbH entstandenen Geschäftsanteils geworden. Auch steuerrechtlich war ihr dieser zuzurechnen. Die so erfolgte Vermögensverschiebung von der Stpfl. (verhinderte Vermögensmehrung bei dieser) auf Frau B war gesellschaftlich veranlasst, ohne dass es darauf ankomme, ob Frau B bei der Beurkundung einem Irrtum entsprechend dem Vortrag der GmbH unterlag.
- Der Wert des Bezugsrechts sei dem Einkommen der GmbH daher außerbilanziell hinzuzurechnen. Außerdem habe die GmbH die Kapitaleinlage im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung gezahlt; darin sei eine gesellschaftlich veranlasste Vermögensminderung zugunsten der Frau B zu sehen, die ebenfalls außerbilanziell zu korrigieren sei.
- Auch die in 2010 vorgenommene (spätere) Geschäftsanteilsübertragung von Frau B an die GmbH stelle kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Denn dadurch lasse sich an dem, was einmal tatsächlich geschehen oder rechtlich vereinbart worden ist, rückwirkend nichts (mehr) ändern.
- Der Umstand, dass Frau B den Beschluss mit dem konkreten Inhalt „versehentlich“ gefasst haben bzw. dabei von unzutreffenden Annahmen ausgegangen sein könnte, ändere nichts an dem Umstand, dass die Handlung der Frau B, durch die die verhinderte Vermögensmehrung veranlasst wurde, der GmbH – objektiv – zuzurechnen ist. Ein etwaiger Irrtum der Frau B ändere an der gesellschaftlichen Veranlassung nichts. Es gelte im Ergebnis der objektivierende Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Ein solcher hätte sich nach Auffassung des FG im Beurkundungstermin aber nicht in einer Weise geirrt, wie es bei B der Fall gewesen sein soll.
- Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestünden – über die Vermögensverschiebung hinaus – grundsätzlich keine weiteren subjektiven Handlungserfordernisse, um eine vGA bejahen zu können. Es bedürfe weder der Absicht, Gewinne verdeckt auszuschütten, noch eines entsprechenden Ausschüttungsbewusstseins. Schon gar nicht erfordere die Annahme einer vGA eine „Verständigung“ oder eine Einigung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter über die „verdeckte“ Zuwendung.
Hinweis:
Gegen die im Fachschrifttum vertretene Auffassung hat das FG also festgestellt, dass subjektive Entschuldigungsgründe die „konkrete“ Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis gerade nicht entfallen lassen können – der Hinweis eines begünstigten Gesellschafters auf einen Irrtum oder ein Versehen kann die Annahme einer vGA folglich nicht verhindern. Gleichwohl sollte die weitere Rechtsentwicklung angesichts des anhängigen Revisionsverfahrens (Aktenzeichen I R 9/20) aufmerksam beobachtet werden. Denn der BFH hatte in der Vergangenheit bei Fehlbuchungen (die im Urteilsfall durch den Steuerberater zu vertreten waren) vGA mit der Begründung verneint, es fehle an einer Vermögensminderung, weil den Zahlungen entsprechende Ausgleichsansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter gegenüberstanden und zu aktivieren sein sollten.