Wird Lohn für mehrere Jahre in einem Betrag ausgezahlt, so z.B. bei der Auszahlung angesammelter Überstunden oder bei der Auszahlung eines angesammelten Alterskapitals, so führt dieser zusammengeballte Zufluss bei der Einkommensteuer u.U. zu einer deutlich steigenden Belastung, nämlich dann, wenn sich die Einkünfte im Bereich des progressiven Einkommensteuertarifs befinden. Um diesen Progressionseffekt abzumildern, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine tarifbegünstigte Besteuerung erfolgen, bei der zur Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes die außerordentlichen Einkünfte fiktiv auf fünf Jahre verteilt werden.
Die Anwendung der tarifbegünstigten Besteuerung setzt voraus, dass außerordentliche Einkünfte vorliegen, was gegeben ist, wenn
– eine Entschädigung gewährt wird als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen, so z.B. bei einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes oder Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit vorliegen und
– diese Einkünfte in einem Kalenderjahr zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften eine erhöhte steuerliche Belastung entsteht.
Der BFH hat nun in der Entscheidung vom 15.12.2022 (Az. VI R 19/21) nochmals herausgestellt, dass der zweitgenannte Aspekt zwingend gegeben sein muss. Konkret wurde klargestellt, dass die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit regelmäßig nicht tarifbegünstigt ist, wenn die Auszahlung in drei Kalenderjahren erfolgt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zahlung ursprünglich in einer Summe vereinbart war und die Auszahlung in drei Veranlagungszeiträumen auf Gründen beruht, die der Gestaltungsfreiheit des Stpfl. entzogen sind.
Im Urteilsfall war dem Arbeitnehmer eine Altersversorgung zugesagt worden, und zwar sollte mit Erreichen des Pensionsalters eine Einmalzahlung erfolgen. Die vereinbarte Einmalzahlung wurde nun aber lediglich zu einem Teil zum vereinbarten Zeitpunkt (im Jahr 2016) ausgezahlt und die verbleibenden Teilbeträge wurden in den beiden Folgejahren nachgezahlt. Begehrt wurde die Tarifermäßigung für die Auszahlung im Jahr 2016. Das Finanzamt folgte dem nicht. Die Tarifermäßigung komme nicht in Betracht, da das „Alterskapital“ nicht als Einmalzahlung im Streitjahr geleistet worden sei.
Der BFH hat nun die Vorgehensweise des Finanzamtes bestätigt. Zwar sei der Zufluss in einem Kalenderjahr kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal, jedoch folge dies aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, der darin besteht, dass Belastungen abgemildert werden sollen, die dadurch entstehen, dass der Zufluss in einem Kalenderjahr zu einer für den Stpfl. im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führt.
Im Umkehrschluss liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei oder mehr Kalenderjahren gezahlt wird. Insoweit hat die Rechtsprechung nur eng begrenzte Ausnahmen zugelassen:
– So ist nach der Rechtsprechung die Steuerbegünstigung trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen ausnahmsweise auch dann anzuwenden, wenn der Stpfl. nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird, wobei sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen müssen und die Nebenleistung nur geringfügig sein darf.
– Eine weitere Ausnahme hält der BFH aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in solchen Fällen für geboten, in denen neben der Hauptleistung in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden, wie z.B. die Gestellung eines Firmenwagens.
– Verteilt sich die Zahlung auf zwei Veranlagungszeiträume, lässt die höchstrichterliche Rechtsprechung die Steuerermäßigung darüber hinaus auch dann zu, wenn die Zahlung von vornherein in einer Summe festgesetzt war und nur wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen auf zwei Jahre verteilt wurde.
Vorliegend lagen solche Ausnahmen nicht vor. Dem steht unter den im Streitfall gegebenen Umständen bereits entgegen, dass sich die Auszahlung des „Alterskapitals“ nicht nur auf zwei, sondern auf drei Veranlagungszeiträume erstreckte.
Handlungsempfehlung:
Der Zufluss in einem Kalenderjahr ist also zwingende Voraussetzung für die Annahme außerordentlicher Einkünfte und hiervon kann nur in ganz eng begrenzten Ausnahmen abgesehen werden. Auf die Einhaltung dieser Voraussetzung sollte in der Praxis dringend geachtet werden, da dies materiell sehr bedeutsam sein kann.