Die körperschaftsteuerliche Organschaft bietet neben anderen Vorteilen insbesondere die Möglichkeit, Verluste der Organgesellschaft (einer Kapitalgesellschaft) mit steuerlicher Wirkung beim Organträger (einer Kapital- oder Personengesellschaft) geltend zu machen, also Gewinne und Verluste innerhalb einer Unternehmensgruppe – zwischen Mutter- und (ggf. mehreren) Tochtergesellschaft(en) – zu verrechnen. Zivilrechtlich selbständige Gesellschaften/Einheiten können faktisch wie ein einheitliches Unternehmen besteuert werden, wobei die Organschaft für ihre Anerkennung aber neben der sog. finanziellen Eingliederung, die beim Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an den Anteilen an der Organgesellschaft erfordert, insbes. den Abschluss und die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags (GAV) voraussetzt.
Das FG Hamburg hat zur Frage der tatsächlichen Durchführung eines GAV mit Urteil v. 30.6.2022 (Az. 6 K 182/20) entschieden, dass
– der Durchführung eines GAV die Umwandlung eines Gewinnabführungs- oder eines Verlustübernahmeanspruchs in ein Darlehen grundsätzlich nicht entgegensteht,
– und dass ein solches Darlehen auch nicht fremdüblich vereinbart sein muss; allerdings müsse der Darlehensanspruch werthaltig sein, damit der Vertrag als durchgeführt anzusehen (und damit die Organschaft anzuerkennen) sei.
Die Besonderheit des Streitfalls lag darin, dass nach ständiger Rechtsprechung ein GAV i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG (nur) dann tatsächlich durchgeführt wird, wenn er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Die nach den GoB ermittelten Gewinne müssen tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden. Zur tatsächlichen Durchführung des GAV reicht der Verbindlichkeitsausweis in der Bilanz der Organgesellschaft allein nicht aus; die Organgesellschaft muss diese Verbindlichkeit auch zeitnah erfüllen, andernfalls wird die Organschaft steuerlich nicht anerkannt.
Allerdings kann – was das FG Hamburg unterstreicht – die zeitnahe Erfüllung des Gewinnabführungs- und Verlustübernahmeanspruchs auch durch Erfüllungssurrogate erfolgen, etwa durch eine Aufrechnung (BFH-Beschluss v. 26.4.2016, I B 77/15, BFH/NV 2016, 1177). Nach herrschender Auffassung im Fachschrifttum ist auch die Umwandlung in ein Darlehen möglich, weil der Anspruch damit zwischen den Organgesellschaften rechtlich anerkannt und durch Novation erfüllt wird. Erforderlich für eine Erfüllung durch Novation in ein Darlehen ist allerdings, dass der Darlehensanspruch – wie bei einer Aufrechnung als Erfüllungssurrogat – werthaltig ist. Dies (und damit die Durchführung des GAV) hat das FG für den Streitfall, in dem Zahlungsansprüche in Darlehen umgewandelt worden waren, bejaht.
Hinweis:
Das FG Hamburg lenkt den Blick nochmals auf die tatsächliche Durchführung von Gewinnabführungsverträgen. Hier soll es einerseits nicht genügen, schlicht Forderungen und Verbindlichkeiten einzubuchen, da der Anspruch auf Gewinnabführung als auch die Verpflichtung zum Verlustausgleich mit Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahrs der Organgesellschaft entstehen. Andererseits soll aber – als praktikabler Ausweg – die Umwandlung in ein Darlehen ausreichend sein, wobei nach Feststellung des FG Hamburg die vorherige Erfüllung der gegenseitigen Ansprüche durch Zahlung und anschließende Neuausreichung als Darlehen ebensowenig erforderlich ist wie die Vereinbarung einer marktüblichen Verzinsung.