Mit seinem vorläufig noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 21.6.2022 (Az. 13 K 1149/20 E) hat sich das FG Düsseldorf mit der steuerlichen Berücksichtigung eines Verlustes nach § 17 EStG befasst. Die Besonderheit lag darin, dass die Veräußerung sowohl einen im Wege einer Kapitalerhöhung unter Aufgeldzahlung kurz vor der Veräußerung neu geschaffenen Kapitalgesellschaftsanteil wie auch Altanteile umfasste. Dazu hat das FG entschieden,
– dass im Rahmen des § 17 EStG die Gewinnerzielungsabsicht nicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils, sondern einheitlich für alle veräußerten Anteile zu prüfen ist,
– und dass der 2019 ins Gesetz aufgenommene § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG entgegen der Gesetzbegründung nicht etwa deklaratorisch, sondern konstitutiv ist.
Im Streitfall war die Stpfl. Alleingesellschafterin einer im November des Streitjahrs 2015 gegründeten Immobilien-GmbH. Bei Gründung betrug das Stammkapital 25 000 €, eingeteilt in 25 000 Geschäftsanteile (Nrn. 1 bis 25 000, Nennbetrag jeweils 1 €). Kurz nach der Gründung beschloss die Stpfl. eine Kapitalerhöhung auf 26 000 €. Zur Durchführung schuf sie einen neuen Anteil (Nr. 25 001, Nennbetrag 1 000 €) und verpflichtete sich im Kapitalerhöhungsbeschluss, neben der Einlage ein Aufgeld i.H.v. 500 000 € in die Kapitalrücklagen der GmbH einzuzahlen. Nach der Einzahlung veräußerte sie die Anteile mit den lfd. Nr. 24.701 bis 25.001 für 26 300 € an ihren Ehemann.
In ihrer Steuererklärung machte die Stpfl. einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG i.H.v. 285 000 € geltend, der sich durch Abzug der AK i.H.v. 501 300 € von dem Veräußerungspreis i.H.v. 26 300 € und der anschließenden Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ergab. Das Aufgeld ordnete sie dabei ausschließlich dem Neuanteil als AK zu. Das FA vertrat die Auffassung, der Verlust aus der Veräußerung des Neuanteils sei nicht zu berücksichtigen, da es insoweit an der Gewinnerzielungsabsicht fehle. Im Übrigen sei, wenn eine einheitliche Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen werden müsste, das Aufgeld auf alle Anteile gleichmäßig zu verteilen. Der 2019 neu eingefügte § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG, der eine solche gleichmäßige Aufteilung vorsehe, sei lediglich deklaratorisch.
Das FG Düsseldorf hat der Klage wie folgt stattgegeben:
– Die Gewinnerzielungsabsicht sei in zwei Schritten zu prüfen: Zunächst werde die objektive Erfolgsprognose und erst dann – sofern die Erfolgsprognose negativ ist – die subjektive Gewinnerzielungsabsicht des Stpfl. geprüft.
– Schritt 1: Bei der Prüfung der Erfolgsprognose werde der Totalgewinn als Gesamtergebnis der steuerrelevanten Tätigkeit oder Nutzung von Kapitalvermögen betrachtet.
– Schritt 2: Bei Vorliegen einer positiven Erfolgsprognose bei gewerblichen Einkünften i.S. des § 17 EStG sei regelmäßig davon auszugehen, dass der qualifiziert Beteiligte eine entsprechende Absicht der Gewinnerzielung besitzt, auch wenn die Gewinnerzielung bei kurzer Dauer der Beteiligung im Einzelfall in den Hintergrund treten könne. Dabei müsse auf die gesamte veräußerte Beteiligung und nicht auf den einzelnen veräußerten Anteil abgestellt werden.
– Das in die Kapitalrücklage eingezahlte Aufgeld verteile sich zwar bei wirtschaftlicher Betrachtung auf alle Geschäftsanteile an der Kapitalgesellschaft und werte diese entsprechend ihrer Nennwerte auf. Nach der Rechtsprechung des BFH ist das im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklage eingezahlte Aufgeld steuerlich aber ausschließlich dem neu geschaffenen Anteil zuzuordnen. Die diesbezügliche gesetzliche Neuregelung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG gelte erst für nach dem 31.7.2019 und nur auf Antrag des Stpfl., der hier nicht gestellt wurde, bereits für Veräußerungen vor dem 31.7.2019.
Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist aufmerksam zu verfolgen, das FG Düsseldorf hat seine Auffassung jedenfalls sehr klar und überzeugend abgeleitet. Unter Gestaltungsaspekten hervorzuheben ist auch, dass das FG keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO erkennen kann – die von der Stpfl. gewählte rechtliche Gestaltung (Anteilserwerb durch Kapitalerhöhung unter Aufgeldzahlung) sei „nicht unangemessen“. Sie hätte nicht ausschließlich dem Zweck der Steuerminderung gedient, sondern der Ausstattung der GmbH mit Finanzmitteln, mithin einem wirtschaftlichen Zweck. Diese Gestaltung sei „weder gekünstelt noch umständlicher, wesentlich teurer, komplizierter oder weniger praktikabel im Vergleich“ zu anderen möglichen Gestaltungen.