Der anstehende Jahreswechsel sollte zum Anlass genommen werden, bestehende Vereinbarungen zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern bzw. Gesellschafter-Geschäftsführern in Hinblick auf vGA-Risiken zu überprüfen, wobei insbesondere die nachfolgend genannten, zumeist im Jahr 2023 bekannt gewordenen finanzgerichtlichen Entscheidungen zu beachten sind. Die Überprüfung der Vereinbarungen könnte nach Art einer Checkliste strukturiert anhand folgender Schwerpunkte erfolgen:
a) Übergreifende Fragen
b) Geschäftsführerverträge (Gesamtausstattung, Nebenleistungen)
c) Pensionszusagen/Altersversorgung (insbesondere Erdienbarkeit und Finanzierbarkeit)
a) Übergreifende Fragen
Begriff der vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG: Mit Beschluss vom 30.5.2023 (Az. VIII B 15/22) hat der BFH in einem Verfahren um die Nichtzulassung der Revision seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff der vGA bestätigt und festgestellt, dass eine vGA gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gerade nicht voraussetzt, dass der dem Anteilseigner gewährte Vermögensvorteil der Minderung des Unterschiedsbetrags bei der Gesellschaft bei einer vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entspricht. Das heißt, dass der Ansatz einer vGA auf der Gesellschaftsebene eine Bereicherung des Gesellschafters oder den Zufluss eines Vermögensvorteils bei dem Gesellschafter nicht notwendigerweise voraussetzt. Mithin kann der Annahme einer vGA beim Gesellschafter nicht damit begegnet werden, dass diese nicht zu einer Gewinnminderung bei der Gesellschaft geführt habe.
Hinweis:
Mit der durch diesen Beschluss unterstrichenen Auffassung ist i.Ü. auch die Konsequenz verbunden, dass ein gleichzeitig mit der vGA entstehender Ausgleichsanspruch diese nicht kompensiert (Saldierungsverbot) und Leistungen des Gesellschafters zum Ausgleich des durch den Geschäftsvorfall entstehenden Vermögensnachteils die vGA daher nicht mehr berühren (sie sind regelmäßig als verdeckte Einlagen zu qualifizieren).
b) Geschäftsführerverträge (Gesamtausstattung, Nebenleistungen)
– VGA bei nicht fremdüblicher Verzinsung einer Darlehensforderung (Gesellschafterverrechnungskonto): Mit Urteil v. 22.2.2023 (Az. I R 27/20) hat der BFH zur Frage der fremdüblichen Vergütung von Gesellschafterdarlehen entschieden, dass der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung der auf einem Gesellschafterverrechnungskonto verbuchten Darlehens-forderung einer GmbH zur Annahme einer vGA führen kann, und dass es bei der regelmäßig gebotenen Schätzung der fremdüblichen Zinsen nicht zu beanstanden ist, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und Darlehensnehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.
Hinweis:
Der BFH hat insoweit seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und fortgeführt. Daher sollte in der Praxis sorgfältig auf die Verzinsung entsprechender Verrechnungskonten geachtet werden. Der BFH hat i.Ü. eine Bezugnahme auf statistische Daten der Deutschen Bundesbank ebenso wenig kritisiert wie einen Zinsaufschlag zu Gunsten der GmbH angesichts einer fehlenden Besicherung der Forderung. Gerade vor dem Hintergrund des deutlich veränderten Zinsumfeldes müssen Zinsvereinbarungen betreffend Verrechnungskonten zwischen GmbH und Gesellschafter überprüft und ggf. an das aktuelle Zinsniveau angepasst werden.
c) Pensionszusagen/Altersversorgung (insbesondere Erdienbarkeit und Finanzierbarkeit)
– VGA bei gleichzeitigem Bezug von Versorgungszahlungen und Geschäftsführergehalt: Mit seinem Urteil vom 15.3.2023 (Az. I R 41/19) hat der BFH zur Problematik der an den beherrschenden Gesellschafter einer GmbH gezahlten Altersversorgung unter dem Aspekt der vGA (in Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung) festgestellt, dass es aus steuerrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, wenn ein Versorgungsversprechen der Kapitalgesellschaft nicht von dem endgültigen Ausscheiden des Begünstigten aus dem Dienstverhältnis als Geschäftsführer, sondern allein von dem Erreichen der Altersgrenze abhängig gemacht wird. Werde allerdings nach dem Eintritt des Versorgungsfalles neben der Versorgungsleistung bei voller Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer für diese Tätigkeit lediglich ein reduziertes Gehalt gezahlt, liege nach der Maßgabe eines hypothetischen Fremdvergleichs dann keine gesellschaftliche Veranlassung vor, wenn die Gehaltszahlung die Differenz zwischen der Versorgungszahlung und den letzten Aktivbezügen nicht überschreitet. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde zwar nicht gleichzeitig sowohl die volle Versorgung als auch ein volles Gehalt für die Tätigkeit (Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer) zahlen. Er würde aber auch nicht erwarten, dass ein „pensionierter“ Geschäftsführer „umsonst“ weiterarbeitet. Vielmehr würde er grundsätzlich bereit sein, neben der Versorgung, die (nur) für die angemessene Versorgung im Ruhestand gezahlt wird, für die (zusätzlichen) Dienste auf Grund der fortgeführten oder wieder aufgenommenen Tätigkeit als Geschäftsführer ein Gehalt bis zur Höhe der Differenz zwischen der Versorgung und den letzten Aktivbezügen zu zahlen.
Hinweis:
Mit dieser Entscheidung hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt und aufgezeigt, dass ein reduziertes Gehalt dazu führen kann, dass die Annahme einer vGA bei Weiterbeschäftigung vermieden werden kann. In der Praxis ist allerdings u.a. darauf zu achten, dass mit der Reduzierung des Gehalts nicht auch eine Reduzierung der Arbeitszeiten bzw. Aufgabenbereiche einhergeht.
– Sanierungsbedingte Abfindung einer Pensionszusage muss nicht zwingend zu einer vGA führen: Mit seinem nicht rechtskräftigen Urteil vom 26.5.2023 (Az. 4 K 3618/18 E) hat das FG Münster entschieden, dass die Abfindung einer zu Gunsten eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers bestehenden Pensionszusage dann nicht zu einer vGA führt, wenn die Abfindung dazu dient, eine (unmittelbar drohende) Zahlungsunfähigkeit der GmbH zu beseitigen.
Im konkreten Streitfall war – sehr verkürzt – dem Gesellschafter-Geschäftsführer in 2002 ein Rechtsanspruch auf Versorgung („Pensionszusage“ u.a. mit Witwenversorgung) zugesagt worden mit der Einschränkung, dass die GmbH bei wesentlicher Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage die zugesagten Leistungen kürzen oder einstellen durfte. Jahre später wurde auf Grund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH beschlossen, die erteilte Pensionszusage zum 1.12.2012 aufzuheben und eine Vereinbarung zur Abfindung der Versorgungsansprüche zu treffen. Die GmbH sagte dabei eine Abfindung von 66 T€ zu, die sie aus den Zahlungen der von ihr gekündigten Rückdeckungsversicherungen begleichen konnte. Daher buchte sie in ihrer eigenen Gewinnermittlung u.a. die bis dahin bilanzierte Pensionsrückstellung sowie die Forderung aus den Rückdeckungsversicherungen erfolgswirksam aus. Das FG argumentierte gegen das Vorliegen einer vGA, dass die gesellschaftliche Veranlassung fehle, da die geleistete Abfindungszahlung nicht ohne Gegenleistung erfolgt sei, da der Geschäftsführer diese im Gegenzug für den Wegfall seines Pensionsanspruchs erhalten hatte. Im Ergebnis habe es sich um ein entgeltliches Austauschgeschäft gehandelt. Aus Sicht der GmbH hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer dem Abfindungsplan zugestimmt, um die drohende Insolvenzreife und wirtschaftliche Krise der GmbH zu beseitigen.
Hinweis:
Angesichts des anhängigen Revisionsverfahrens ist die weitere Rechtsentwicklung zu verfolgen. Sollte der BFH die Argumentation des FG bestätigen, könnten in wirtschaftlichen Krisen einer GmbH bestehende Pensionsansprüche vergleichsweise rechtssicher abgefunden werden.