Für GmbH-Gesellschafter und GmbH- Geschäftsführer

VGA-Checkliste: Wichtige aktuelle Entscheidungen zur verdeckten Gewinnausschüttung (vGA)

11. Januar 2022


Der anstehende Jahreswechsel sollte wieder zum Anlass genommen werden, bestehende
Vereinbarungen zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern bzw.
Gesellschafter-Geschäftsführern in Hinblick auf vGA-Risiken zu überprüfen, wobei insbesondere
die nachfolgend genannten, zumeist im Jahr 2021 bekannt gewordenen finanzgerichtlichen.





Entscheidungen zu beachten sind. Die Überprüfung der Vereinbarungen könnte nach Art einer
Checkliste strukturiert anhand folgender Schwerpunkte erfolgen:






a) Übergreifende Fragen






b) Geschäftsführerverträge (Gesamtausstattung, Nebenleistungen)






c) Pensionszusagen/Altersversorgung (insbesondere Erdienbarkeit und Finanzierbarkeit)






d) Übernahme von Aufwendungen durch die GmbH bzw. Minderungen des Vermögens bei
der GmbH






Im Einzelnen:






a) Übergreifende Fragen
Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen – auch ohne
entsprechende Satzungsregelung
: Schon mit Urteil v. 6.5.2020 hatte das FG Münster zur
Problematik der steuerlichen Anerkennung sog. inkongruenter Gewinnausschüttungen
entschieden, dass es auch ohne entsprechende Satzungsregelung nur eines Beschlusses
aller Gesellschafter über eine solche abweichende Gewinnverteilung bedürfe.
Diese Rechtsauffassung hat das FG Münster mit seinem Urteil vom 30.6.2021 (Az. 13 K
272/19 G,F) erneut mit der Feststellung bekräftigt, dass inkongruente Gewinnausschüttungen
im Regelfall keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen.






Hinweis:
Da inkongruente Gewinnausschüttungen in der Praxis häufiger vorkommen, kommt diesem erfreulich
deutlich zu Gunsten der Stpfl. getroffenen Urteil eine besondere Bedeutung zu. Die FinVerw erkennt
inkongruente Gewinnausschüttungen allerdings nur in engerem Rahmen an.






Zur Vorteilsgeneigtheit bei vGA in Gestalt einer verhinderten Vermögensmehrung: Mit
seinem nicht rechtskräftigen Urteil vom 17.12.2020 hat das Schleswig-Holsteinische FG (Az.
1 K 16/19, EFG 2021, 578) entschieden, dass eine vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf der
Grundlage einer verhinderten Vermögensmehrung nur dann vorliegt, wenn diese verhinderte
Vermögensmehrung auf der Ebene der Gesellschaft einen korrespondierenden Vorteil auf der
Ebene des Gesellschafters (oder eines diesem nahestehenden Dritten) begründet. Denn eine
vGA setzt u.a. voraus, dass der Vorgang geeignet ist, bei dem begünstigten Gesellschafter
einen Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.
Inhaltlich hatte in diesem Streitfall die Besonderheit vorgelegen, dass (verkürzt dargestellt)
eine Konzernmutter ihrer Konzerntochter – vor dem Hintergrund eines staatlichen
Wirtschaftsembargos – die Fortführung von Aufträgen in dem vom Embargo betroffenen Staat
untersagt hatte. Wäre der Fall so gelagert gewesen, dass die Konzernmutter ihre Kosten auf
die Tochter verlagert oder aber Erträge/Ertragschancen der Tochter für eigene Rechnung
übernommen hätte, wäre das Vorliegen einer vGA wohl nicht strittig. Vorliegend konnte das
FG aber weder eine Kostenverlagerung noch einen sachlich korrespondierenden
wirtschaftlichen Vorteil bei der Konzernmutter erkennen, sondern nur einen Umsatzausfall für
den gesamten Konzern. Wegen des Fehlens des Merkmals der sog. Vorteilsgeneigtheit lag
keine vGA vor.






Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist angesichts des beim BFH unter dem Az. I R 2/21 anhängigen
Revisionsverfahrens aufmerksam zu beobachten.






VGA auch bei Verbleiben des Vermögensgegenstandes im Konzernverbund: Mit seinem
nicht rechtskräftigen Urteil vom 24.11.2020 (Az. 1 K 395/18) hat das FG Nürnberg
entschieden, dass es dann, wenn bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung
eintritt, im Rahmen der gebotenen betriebsbezogenen Betrachtungsweise für die Annahme
einer vGA unerheblich ist, ob der aus der Firma abgeflossene Vermögensgegenstand im
Konzernverbund verbleibt. Denn Gewinne könnten nur dann zusammengefasst der
Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn ein Organschaftsverhältnis begründet wurde
(was im Streitfall nicht der Fall war).





Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist aufmerksam zu beobachten; unter dem Az. I B 14/21 wurde beim BFH
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.






b) Geschäftsführerverträge (Gesamtausstattung, Nebenleistungen)






Stark schwankende Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers ohne vorherige
schriftliche Vereinbarung stellt eine vGA dar
: Mit seinem Beschluss vom 17.12.2020 hat
das FG Münster (Az. 9 V 3073/20 E) bestätigt, dass rückwirkende Gehaltsvereinbarungen
oder Sonderzahlungen bei beherrschenden Gesellschaftern nicht anzuerkennen sind und
somit zu vGA führen. Zudem sind solche Zahlungen an einen
Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer als vGA zu qualifizieren, bei denen für einen fremden
Dritten wegen der Höhe nach erheblicher monatlicher Schwankungen nicht klar erkennbar ist,
dass die Zahlungen auf einer mündlichen Gehaltsvereinbarung beruhen.






Hinweis:
Auch dieser Beschluss unterstreicht die Notwendigkeit klarer, zivilrechtlich wirksamer und im Voraus
getroffener Vereinbarungen. Für die Praxis sind schriftliche Vereinbarungen anzuraten, auch wenn eine
Gehaltsvereinbarung nicht grundsätzlich oder gar generell der Schriftform bedarf.






c) Pensionszusagen/Altersversorgung






VGA bei nicht eindeutiger Pensionszusage wegen Vereinbarung eines möglichen
Pensionseintritts schon mit Vollendung des 60. Lebensjahres
: Mit seinem noch nicht
rechtskräftigen Urteil vom 9.6.2021 hat das FG Düsseldorf (Az. 7 K 3034/15) zur Problematik
des gesetzlichen Erfordernisses der Eindeutigkeit einer Pensionszusage (Bestimmtheitsgebot
nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG) entschieden, dass






– das Bestimmtheitsgebot auch dann noch erfüllt ist, wenn sich ein eindeutiger Inhalt der
Pensionszusage erst durch deren Auslegung einfach und ohne verbleibende Restzweifel
am Auslegungsergebnis feststellen lässt,






– sich ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter für die Zusage einer
Altersversorgung an der Regelung für die gesetzliche Sozialversicherungsrente orientieren
wird und






– daher dann, wenn für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer die Möglichkeit
besteht, bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der GmbH eine
Pension zu beziehen, die Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis
(mit-)veranlasst ist, weshalb jedenfalls die Pensionszahlungen vor Erreichen des
gesetzlichen Renteneintrittsalters als vGA anzusehen sind.






Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist angesichts des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens aufmerksam
zu verfolgen. Der Aspekt der Eindeutigkeit gehört (ebenso wie das Erfordernis der Schriftform und der
klaren und eindeutigen Formulierungen) jedenfalls in jede Checkliste zur Prüfung von
Pensionsrückstellungen. Hinsichtlich des Pensionsalters wird empfohlen, sich an den Regelungen der
gesetzlichen Rentenversicherung zu orientieren.






VGA bei Rentenzahlung und Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer: Mit Urteil v.
17.6.2020 hat der BFH (Az. I R 56/17) in der Frage des Vorliegens von vGA bei
Weiterbeschäftigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers nach Eintritt des
Versorgungsfalles entschieden, dass die entsprechende Zahlung der Altersrente bei
fortbestehender entgeltlicher Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers nur insoweit
(partiell) eine vGA nach sich zieht, wie das Einkommen aus der Tätigkeit als Geschäftsführer
nicht auf die Versorgungsleistung angerechnet wird.






Hinweis:
Mit dieser Entscheidung hat der BFH seine ständige Rechtsprechung fortgeführt, nach der das
Ausscheiden aus den Diensten der GmbH nicht Voraussetzung für die Anerkennung der betrieblichen
Altersversorgung ist. Allerdings vertritt der BFH die Auffassung, dass ein ordentlicher und gewissenhafter
Geschäftsleiter zur Vermeidung einer vGA insbesondere verlangen würde, dass das Einkommen aus der
fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung angerechnet wird.





d) Übernahme von Aufwendungen durch die GmbH bzw. Minderungen des Vermögens
bei der GmbH






Überhöhte Verzinsung als vGA: Mit Urteil vom 18.5.2021 hat der BFH (Az. I R 62/17)
festgestellt, dass es allgemeinen Erfahrungssätzen widerspricht, wenn ein fremder Dritter für
ein unbesichertes und nachrangiges Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein
besichertes und vorrangiges Darlehen. Im Streitfall hatte eine GmbH ihrer Tochter-GmbH ein
unbesichertes Darlehen zu 8 % ausgereicht; die Tochter-GmbH hatte daneben ein
besichertes und vorrangig zu bedienendes Bankdarlehen zu 4,78 % erhalten. Das FA und das
FG Köln nahmen in Höhe der Differenz zwischen 5 % und den 8 % eine vGA an. Der BFH hat
dieses Ergebnis verworfen mit dem Hinweis, ein fremder Dritter würde bei gegebener
Sachlage (Nachrangigkeit des Darlehens, fehlende Sicherheiten) einen höheren „Preis“ für
die Überlassung des Kapitals fordern als ein abgesicherter Gläubiger.






Hinweis:
Damit unterstreicht der BFH seine bisherige Rechtsprechung, nach der der Ansatz einer vGA nur dann in
Betracht kommt, wenn der der Mutter-GmbH als Darlehensgeberin zustehende Zins für die
Kapitalüberlassung das Maß des Fremdüblichen überschreitet. Bei der Zinsfestlegung müssen dabei
spezielle Umstände, die im Verhältnis zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen eine
abweichende Preisgestaltung veranlassen würden, berücksichtigt werden (Zinszuschlag für unbesicherte
Nachrangdarlehen).






VGA auf Grund der Nichtverzinsung eines Gesellschafterverrechnungskontos: Mit
seinem nicht rechtskräftigen Urteil v. 28.5.2020 hat das Schleswig-Holsteinische FG (Az. 1 K
67/17) in Fortführung der Rechtsprechung des BFH entschieden, dass die nicht
angemessene Verzinsung einer auf einem Verrechnungskonto ausgewiesenen Forderung der
Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter zu einer vGA in Gestalt einer verhinderten
Vermögensmehrung führen kann. Wenn die Gesellschaft selbst keine Kredite aufgenommen
habe, so bildeten bei der Ermittlung des angemessenen Zinssatzes die banküblichen
Habenzinsen die Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze der
verhinderten Vermögensmehrung. Der im Einzelfall angemessene Zinssatz sei innerhalb
dieser Marge durch Schätzung zu ermitteln.






Hinweis:
Da das FG die Revision zugelassen hat (Az. des BFH: I R 27/20), ist die weitere Rechtsentwicklung
aufmerksam zu beobachten. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erscheint allerdings
wenig wahrscheinlich, so dass für entsprechende Verrechnungskonten regelmäßig auch eine Verzinsung
vereinbart und durchgeführt werden sollte.






VGA bei Vermietung einzelner Räume in der Wohnung des beherrschenden
Gesellschafters an die Gesellschaft (formeller Fremdvergleich)
: Mit seinem
rechtskräftigen Urteil vom 19.4.2021 hat das FG München (Az. 7 K 1162/19) entschieden,
dass bei Mietverträgen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter den
Anforderungen an den sog. formellen Fremdvergleich schon dann Genüge getan ist, wenn im
schriftlichen Mietvertrag die wesentlichen Geschäftseigenschaften wie Mietobjekt, Mietpreis
und Mietbeginn niedergelegt sind und unzweideutig feststeht, auf welche Räume sich der
Mietvertrag bezieht. Die Vereinbarung einer Bruttomiete ohne Abrechnung der Betriebskosten
allein löst keine vGA aus, da Bruttomieten bei Untermietverhältnissen nicht unüblich sind.






Hinweis:
Im Streitfall wurde das dem Fremdvergleich entsprechende Untermietverhältnis anerkannt, da die
Vertragspartner ihre Hauptpflichten erfüllt haben (zu denen die Überlassung einer konkret bestimmten
Sache, eine klare Vereinbarung über die Höhe der Miete und deren Bezahlung gehören).






VGA auf Grund der Ausreichung eines nicht ernstlich vereinbarten Darlehens: Mit
seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 9.6.2021 hat das FG Münster (Az. 13 K
668/19 E) entschieden, dass es zu einer vGA auch dann kommen kann, wenn eine GmbH an
den Gesellschafter ein von vornherein nicht ernstlich vereinbartes Darlehen ausreicht. Im
Streitfall war zeitnah zur Darlehensgewährung über das Vermögen des Gesellschafters das
Insolvenzverfahren eröffnet worden, so dass auf Grund der wirtschaftlichen Situation des
Gesellschafters mit einer Rückzahlung der „Darlehensbeträge“ nicht gerechnet werden
konnte.





Hinweis:
Das FG Münster unterstreicht insoweit die Notwendigkeit, bei Darlehensgewährungen an Gesellschafter
sehr sorgfältig auf den Fremdvergleich zu achten; es sollte möglichst auch die Stellung von Sicherheiten
vereinbart werden.


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