Nachfolgend sind wichtige in 2021 veröffentlichte finanzgerichtliche Entscheidungen und
Verwaltungsanweisungen zusammengefasst, die für die GmbH und ihre Gesellschafter Anlass
sein können, bestehende Gestaltungen und Vereinbarungen zu überprüfen:
Organschaft
– Notwendigkeit der Anpassung von Ergebnisabführungsverträgen, die keinen
dynamischen Verweis auf § 302 AktG enthalten: Die Wirksamkeit eines
Ergebnisabführungsvertrags erfordert nach der Rechtsprechung des BFH, dass ausdrücklich
die Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG (in allen seinen Bestandteilen und in den
jeweiligen Regelungsfassungen) vereinbart worden ist. Im Falle der Änderung des § 302 AktG
ist daher eine dieser Vorschrift entsprechende Vereinbarung – durch Anpassung des
ursprünglichen Gewinnabführungsvertrags – zu treffen.
Mit Wirkung ab dem 1.1.2021 ist nun der Wortlaut des § 302 Abs. 3 Satz 2 AktG angepasst
und um einen Verweis auf den im StaRUG neu eingeführten Restrukturierungsplan ergänzt
worden. Für ältere Ergebnisabführungsverträge noch ohne dynamischen Verweis auf § 302
AktG sollte dies erneuten Anpassungsbedarf zur Folge haben. Die FinVerw lässt es genügen,
wenn die Anpassung der Altverträge zur Aufnahme des dynamischen Verweises spätestens
bis zum Ablauf des 31.12.2021 vorgenommen oder aber das Organschaftsverhältnis vor dem
1.1.2022 beendet wird.
Hinweis:
Der noch vor Jahresende zu beachtende Änderungsbedarf betrifft solche Ergebnisabführungsverträge, die
vor dem 27.2.2013 abgeschlossen (und danach auch nicht angepasst) wurden, da diese nicht selten noch
keinen dynamischen Verweis auf § 302 AktG enthalten dürften, weil diese sich aus der aktuellen
Gesetzesfassung ergebende Voraussetzung für entsprechende Altverträge noch nicht anzuwenden war.
– Organschaft und vororganschaftliche Rücklagen: Die steuerliche Anerkennung der
körperschaftsteuerlichen Organschaft setzt u.a. voraus, dass die Abführung von Erträgen aus
der Auflösung vorvertraglicher Rücklagen ausgeschlossen ist. Dies hat der BFH mit
Beschluss vom 19.10.2020 (Az. I B 20/20) bestätigt: Die Anerkennung einer Organschaft ist
zu verwehren, wenn ein Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH als Organgesellschaft die
Möglichkeit des Verlustausgleichs durch Auflösung vororganschaftlicher Rücklagen vorsieht.
Hinweis:
Bei der Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarung der Verlustübernahme ist also besondere Sorgfalt
geboten.
– KöMoG – Ersatz der Ausgleichsposten bei organschaftlichen Mehr- und
Minderabführungen durch die sog. Einlagelösung: Das zum 1.1.2022 in Kraft tretende
Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) bringt als Neuregelung für
die körperschaftsteuerliche Organschaft, dass die Ausgleichsposten für Mehr- und
Minderabführungen durch ein einfacheres System, die sog. Einlagelösung, ersetzt werden
(§ 14 Abs. 4 KStG neu). Dies betrifft insbes. die Fälle, in denen der an den Organträger
abgeführte Gewinn vom Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese
Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist.
Hinweis:
Mit dieser Einlagelösung soll ausweislich der Gesetzesbegründung Bürokratieaufwand verringert werden.
Mehrabführungen werden künftig als Rückzahlungen aus dem Einlagekonto (Einlagenrückgewähr) und
Minderabführungen als Einlagen behandelt. Sie mindern oder erhöhen damit unmittelbar den Wert der
Beteiligung in der Steuerbilanz des Organträgers.
– Finanzielle Eingliederung bei der Satzungsanforderung einer qualifizierten
Stimmenmehrheit auf Ebene der Organgesellschaft: Die steuerliche Anerkennung der
körperschaftsteuerlichen Organschaft setzt u.a. voraus, dass der Organträger an der
Organgesellschaft in einem solchen Maße beteiligt sein muss, dass ihm die Mehrheit der
Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht. Zu diesem Erfordernis der
sog. finanziellen Eingliederung hat das FG Düsseldorf mit nicht rechtskräftigem Urteil vom
24.11.2020 (Az. 6 K 3291/19 F) entschieden, dass die einfache Mehrheit (also mehr als 50 %
der Stimmen) genügt, und zwar selbst dann, wenn kraft Gesetzes oder Satzung für einzelne
Beschlüsse der Organgesellschaft eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. Nur wenn für
Beschlüsse generell oder überwiegend eine qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte
erforderlich ist, muss der Organträger für die finanzielle Eingliederung auch über diese
verfügen.
Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist angesichts des beim BFH unter dem Az. I R 50/20 anhängigen
Revisionsverfahrens aufmerksam zu beobachten. Sollten in naher Zukunft Gesellschaftsverträge zum
Abschluss bzw. zur Änderung anstehen, sollten vor dem Hintergrund der Rechtsprechung im konkreten
Einzelfall die Mehrheitserfordernisse (zumindest soweit eine Organschaft in Betracht kommen könnte)
sorgfältig geprüft werden.
– Atypisch stille Beteiligung an der vermeintlichen Organgesellschaft verhindert die
Anerkennung der Organschaft: Mit seinem nicht rechtskräftigen Urteil vom 12.4.2021 hat
das FG Düsseldorf (Az. 6 K 2616/17 K,G,F) in Bestätigung der Auffassung der FinVerw
entschieden, dass das Bestehen einer atypisch stillen Beteiligung an einer vermeintlichen
Organgesellschaft die körperschaftsteuerliche Organschaft ausschließt. Denn diese setzt für
ihre Anerkennung neben der sog. finanziellen Eingliederung grundsätzlich auch den
Abschluss und die tatsächliche Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrags voraus, auf
dessen Basis der ganze Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen
abzuführen ist.
Eine GmbH, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, kann also nicht Organgesellschaft
sein, da sie gerade nicht ihren „ganzen Gewinn“ abführen kann, da sie auf Grund des
Vertrags über die atypisch stille Gesellschaft verpflichtet ist, einen Teil ihres Gewinns an den
atypisch still beteiligten Gesellschafter abzuführen.
Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist angesichts des beim BFH unter dem Az. I R 17/21 anhängigen
Revisionsverfahrens aufmerksam zu beobachten. Vor der Etablierung einer Organschaft sollte geprüft
werden, ob entsprechende atypisch stille Beteiligungen bei der Organgesellschaft bestehen; solche
müssten nach der vorgenannten Rechtsprechung im Vorfeld eines Ergebnisabführungsvertrags beendet
werden. Erfolgt eine Gewinnabführung trotz „verunglückter Organschaft“, ist diese als vGA zu qualifizieren.
Steuerfragen auf der Gesellschaftsebene:
– Rückbeziehungsfiktion bei Streubesitzdividenden – Berechnung des Vorliegens einer
10 %igen Beteiligung: § 8b KStG regelt im Grundsatz, dass – verkürzt dargestellt – Bezüge
i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG aus Beteiligungen an in- und
ausländischen Körperschaften bei der Einkommensermittlung der Mutter-Körperschaften
außer Ansatz bleiben. Dies gilt aber nur dann, wenn schon zu Beginn des Kalenderjahrs eine
mind. 10 %ige Beteiligung vorgelegen hat. Erträge aus Beteiligungen mit einer
Beteiligungshöhe von unter 10 % (sog. Streubesitz) sind entsprechend nicht steuerfrei. Der
unterjährige Erwerb einer Beteiligung von mind. 10 % gilt allerdings als bereits zu Beginn des
Kalenderjahres erfolgt (sog. Rückbeziehungsfiktion).
Nach der jüngst veröffentlichten Auffassung der FinVerw (OFD Frankfurt v. 16.8.2021) zum
unterjährigen Hinzuerwerb, die im Fachschrifttum umstritten ist, soll diese
Rückbeziehungsfiktion ausschließlich für den Erwerb von Anteilspaketen i.H.v. mind. 10 % im
Rahmen eines einzelnen Erwerbsvorgangs gelten. Die Rückbeziehung soll danach z.B. nicht
anzuwenden sein, wenn im laufenden Kalenderjahr durch verschiedene Erwerbsvorgänge
jeweils Anteile von weniger als 10 % erworben werden, die Erwerbe insgesamt aber die
Grenze von 10 % erreichen. Der Hinzuerwerb einer Beteiligung im Laufe des Jahres von
bspw. 11 % führt zur Steuerfreiheit der Erträge aus dieser Beteiligung bereits im Erwerbsjahr.
Hat zuvor aber nur eine Beteiligung zu Beginn des Jahres von 4 % vorgelegen, soll die
Befreiung nur für die Erträge gelten, die auf den hinzuerworbenen 11 %igen Anteil entfallen.
Hinweis:
Es ist ungewiss, ob sich diese Auffassung durchsetzen wird. In der Praxis sollte gleichwohl darauf
hingewirkt werden, dass bereits zu Beginn des Kalenderjahres eine Beteiligung in Höhe der gesetzlichen
Vorgaben besteht – bzw. dass unter Beachtung der Rückbezugsfiktion unterjährig möglichst
Mindestbeteiligungen i.H.v. 10 % erworben werden. Alternativ sollte versucht werden, die
Ausschüttungspolitik im Erwerbsjahr möglichst restriktiv zu halten.
Steuerfragen auf der Gesellschafterebene:
– Auswirkung der Ausübung der Option zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG (KöMoG)
in Bezug auf § 17 EStG: Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts
wurde mit § 1a KStG für Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften
die Möglichkeit der Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft geschaffen. Dabei ist u.a.
bei Gestaltungsüberlegungen die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Veräußerung von
Anteilen an einer optierenden Gesellschaft steuerlich wie die Veräußerung von Anteilen einer
auch gesellschaftsrechtlich als Kapitalgesellschaft eingestuften Gesellschaft behandelt wird.
Werden die Anteile im steuerlichen Privatvermögen natürlicher Personen gehalten, so liegen
i.d.R. Anteile i.S.d. § 17 EStG vor. Bei Veräußerung kommt somit das Teileinkünfteverfahren
(Steuerfreiheit zu 40 %) zur Anwendung. Die Begünstigungen des § 16 EStG in Form des
Freibetrags und der Tarifermäßigung nach § 34 EStG entfallen hingegen.
Hinweis:
Mit dem Optionsmodell ist (über § 17 EStG hinaus) eine Vielzahl von steuerlichen Aspekten und
Problemen verbunden, so dass in jedem Fall fachlicher Rat eingeholt werden sollte.
– Veräußerung i.S.d. § 17 EStG i.V.m. § 6 AStG bei Wohnortwechsel ins Ausland (sog.
Wegzugsbesteuerung): Durch das Gesetz zur Umsetzung der
Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) v. 25.6.2021 hat der Tatbestand
des § 6 AStG für Sachverhalte, die nach dem 31.12.2021 verwirklicht werden, beträchtliche
Ausweitungen erfahren. Verkürzt dargestellt wird dann bei Stpfl., die zu mind. 1 % an einer
inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sind und die einen
Wohnortwechsel ins Ausland vornehmen, eine Veräußerung der Anteile fingiert. Zur
Abmilderung wird auf Antrag eine zinslose Ratenstundung der „Wegzugsteuer“ über sieben
Jahre vorgenommen. Diese gilt für alle Stpfl., die innerhalb eines Betrachtungszeitraums von
zwölf Jahren vor Wegzug in mind. sieben Jahren unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig
waren. Verschärfungen sind gegenüber der bisherigen Rechtslage u.a. hinsichtlich des
Zeitraums der unbeschränkten Steuerpflicht vor Wegzug und der sog. Rückkehrerregelung
eingetreten. Auch war bei Wegzug in ein anderes EU-/EWR-Land bisher eine zeitlich
unbegrenzte und unverzinsliche Stundungsmöglichkeit gegeben.
Hinweis:
In einschlägigen Fällen (geplanter Wohnortwechsel ins Ausland) sollte fachlicher Rat eingeholt werden.
Soweit ein Wegzug in das EU-Ausland kurzfristig ansteht, kann es aus steuerlichen Gründen sinnvoll sein,
diesen noch in 2021 zu vollziehen, um die aktuell noch bestehende Stundungsregelung in Anspruch
nehmen zu können.
– (Veräußerungs-)Gewinn im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms nicht als
Arbeitslohn, sondern nach § 17 EStG zu erfassen: Mit seinem rechtskräftigen Urteil v.
22.10.2020 hat das FG Düsseldorf (Az. 14 K 2209/17 E) entschieden, dass Gewinne aus
Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen nicht stets und in vollem Umfang als Vorteile aus dem
Dienstverhältnis i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren sind. Eine Veranlassung
durch das Arbeitsverhältnis kann insbes. dann fehlen, wenn der Mitarbeiter hinsichtlich seiner
Einlage ein Verlustrisiko trägt und sowohl der Erwerb als auch die Rückübertragung der
Anteile durch den Arbeitnehmer jeweils zum Verkehrswert der Anteile erfolgen.
Hinweis:
Für die Gestaltungspraxis ist aus dem Urteil abzuleiten, dass es für die Abgrenzung sehr auf die Umstände
des jeweiligen Einzelfalls ankommt, und dass – wenn Veräußerungsergebnisse dem § 17 EStG
unterworfen werden sollen – darauf zu achten ist, dass für Ankauf wie für Rückkauf die Wertermittlung
nach einem marktgerechten Preis zu vereinbaren ist.