Für GmbH-Gesellschafter und GmbH- Geschäftsführer

Zeitpunkt der Entstehung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG, Liebhaberei bei Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft

17. Oktober 2022


Die Frage des Zeitpunkts der Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 EStG ist höchstrichterlich bereits mehrfach behandelt worden: Danach ist ein Verlust regelmäßig in dem Jahr zu erfassen, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist.





Auf Grund der hohen materiellen Relevanz im Einzelfall müssen entsprechende Sachverhalte aber gleichwohl immer wieder gerichtlich überprüft und insbes. die Frage entschieden werden, ob der Verlust im Streitjahr bereits feststand. So auch in dem Fall, in dem das FG Düsseldorf rkr. mit Urteil v. 12.4.2022, Az. 10 K 1175/19 E, zur Frage der Geltendmachung eines Verlustes aus der Auflösung einer GmbH entschieden hat,





–  dass ein Auflösungsverlust i.S.v. § 17 Abs. 4 EStG bei einer Auflösung einer Kapitalgesellschaft mit anschließendem Insolvenzverfahren regelmäßig erst mit dessen Abschluss entsteht,





–  und dass, wenn sich ein Stpfl. gem. § 17 Abs. 1 EStG an einer Kapitalgesellschaft in Kenntnis einer dieser drohenden Insolvenz beteiligt, ihm die auch bei dieser Einkunftsart erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht fehlt.





Im konkreten Streitfall hatte – sehr verkürzt dargestellt – eine GmbH im Juli 2014 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. An der GmbH waren Herr E zu 66,66 % und Frau B zu 33,34 % beteiligt. Geschäftsführer war seit 2008 Herr K. Mit notariellem Vertrag vom 18.3.2014 erwarb die Stpfl. zum einen den gesamten Geschäftsanteil von Frau B zu einem Kaufpreis von 1 € und zum anderen von Herrn E einen Teilgeschäftsanteil im Umfang der Hälfte seines Geschäftsanteils zu einem Kaufpreis von ebenfalls 1 €. Als weitere „Gegenleistung“ verpflichtete sich die Stpfl., der Gesellschaft bis spätestens zum 15.4.2014 ein Gesellschafterdarlehen i.H.v. 320 000 € zur Verfügung zu stellen. Die Abtretung der Geschäftsanteile war aufschiebend bedingt durch die vollständige Erbringung des vorgenannten Darlehens. Die Stpfl. leistete im Rahmen der Darlehensgewährung eine Einmalzahlung i.H.v. 320 000 € an die X-Bank auf deren Forderungen gegen die GmbH.





Mit notariellem Vertrag vom 2.5.2014 hoben die Stpfl., Frau B und Herr E, den ursprünglichen Anteilsübertragungsvertrag seinem „gesamten Inhalt nach auf und stell[t]en den vor Durchführung der darin erfolgten Anteilsübertragungen bestehenden Zustand wieder her“, und zwar durch Rückübertragung der Anteile. Sodann schlossen sie einen neuen Geschäftsanteilsübertragungsvertrag, wonach mit sofortiger dinglicher Wirkung Herr E der Stpfl. einen Geschäftsanteil im Nennwert von nur noch 2 000 € übertrug. In der Folge begehrte die Stpfl. nun die Berücksichtigung eines Verlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG i.H.v. 320 002 € für 2014, was das FA mit dem Hinweis ablehnte, in 2014 sei noch nicht ersichtlich gewesen, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche AK anfielen.





Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen und folgende Aspekte hervorgehoben:





–  Die Entstehung eines Auflösungsverlustes setze voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gem. § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist, und dass feststehe, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche AK oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden.





–  Nur ausnahmsweise könne der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, nämlich dann, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist, z.B. bei Ablehnung des Verfahrens mangels Masse.





–  Im konkreten Streitfall sei aber eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Stpfl. im Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausgeschlossen gewesen, weil die Gesellschaft im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses (dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) nicht vermögenslos war (da die GmbH ausweislich des Berichts des Insolvenzverwalters noch über Vermögen i.H.v. rd. 44 T€ verfügte).





–  Ein Auflösungsverlust habe im Streitjahr auch deshalb nicht festgestanden, weil die Stpfl. z.B. ihr zu Sicherungseigentum übereignete Fahrzeuge an sich genommen und verwertet hatte.





Neben diesen Feststellungen zum Zeitpunkt der Realisation des Verlusts stellt das FG auch noch ganz grundsätzlich heraus, dass im Streitfall schon die Gewinnerzielungsabsicht der Stpfl. nicht festgestellt werden konnte. Denn die GmbH habe sich schon seit Beginn 2014 am Rande der Insolvenz befunden und die übertragenen Anteile wurden als wertlos eingeschätzt (d.h. mit 1 € bewertet). Hinter dem Erwerb dieser wertlosen GmbH-Anteile sowie der Darlehensgewährung bei drohender Insolvenz der GmbH könnten daher lediglich private Motive – auf Grund einer persönlichen Beziehung der Stpfl. zu Herrn C – zu sehen sein.





Hinweis:





Das FG hat sich bei seiner rechtskräftigen Entscheidung auf die vom BFH aufgestellten Grundsätze gestützt, nach denen die Verlustberücksichtigung bereits vor Abschluss des Insolvenzverfahrens in Betracht kommt (wenn z.B. ohne weitere Ermittlungen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird).





Handlungsempfehlung:





Für die Beratungspraxis ist auch vor diesem Hintergrund zu empfehlen, etwaige Auflösungsverluste weiterhin möglichst frühzeitig geltend zu machen: Wird der Auflösungsverlust „zu früh“ geltend gemacht, verliert der Stpfl. das Einspruchs- und ggf. das anschließende Klageverfahren, kann aber i.d.R. den Verlust in einem späteren Veranlagungszeitraum noch geltend machen. Wird der Verlust hingegen „zu spät“ geltend gemacht, scheidet die Verlustberücksichtigung dann aus, wenn die Steuerbescheide schon bestandskräftig sind. Daher ist in einschlägigen Fällen dringend darauf zu achten, den Auflösungsverlust möglichst früh geltend zu machen.


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