Für Unternehmer und Freiberufler

Zeitpunkt der Gewinnrealisierung bei langfristigen Dienst- und Werkverträgen

16. April 2024


Erfolgt die Gewinnermittlung mittels Bilanzierung, so erfolgt der Ausweis von Umsatzerlösen mit der Gewinnrealisierung. Dieser Zeitpunkt ist insbesondere von Bedeutung für die steuerliche Erfassung des Gewinns aus der Lieferung oder Leistung. Insbesondere bei langfristigen Verträgen kann die Ermittlung des Zeitpunkts der Gewinnrealisierung schwierig sein. Im Grundsatz ist insoweit wie folgt zu unterscheiden:





–  Eine Dienst- oder Werkleistung ist „wirtschaftlich erfüllt“, wenn sie – abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungen – erbracht worden ist.





–  Bei Werkverträgen bedarf es außerdem der Abnahme des Werks durch den Besteller, um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen.





–  Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird.





Insoweit muss nun die jeweilige Leistung insbesondere anhand der vertraglichen Abreden rechtlich gewürdigt werden. Das heißt, es muss unterschieden werden zwischen Dienstleistungsverträgen und Werkverträgen. Bei Dienstleistungsverträgen ist insbesondere entscheidend, welche Leistung geschuldet ist. Gerade bei Beratungsleistungen kann eine laufende Beratung geschuldet sein, so dass der Gewinn auch laufend realisiert wird oder es kann auch ein bestimmtes Ergebnis geschuldet sein, so z.B. ein Gutachten oder die Erstellung des Jahresabschlusses, so dass die Gewinnrealisierung erst mit Erfüllung dieser Leistung erfolgt. Soweit am Bilanzstichtag eine Gewinnrealisierung noch nicht erfolgt ist, sind vom Kunden erhaltene Zahlungen erfolgsneutral als Anzahlungen zu bilanzieren.





Über eine solche Frage der Gewinnrealisierung bei einem Beratungsvertrag hatte das FG München zu entscheiden. Mit Urteil vom 11.9.2023 (Az. 7 K 403/20) hat dieses im Urteilsfall eine laufende Gewinnrealisierung gesehen. Die Stpfl. hatte ihre Kunden bei der Umsetzung von Lösungskonzepten im Zusammenhang mit finanziellen Schwierigkeiten beraten. In der Regel war entweder eine Sanierung erforderlich, oder es kam letztlich zur Insolvenz des Kunden. Die vereinbarten Tätigkeiten begannen mit Aufnahme der Ist-Situation und setzten sich mit der Erarbeitung eines Lösungsansatzes, Durchführung der Verhandlungen mit Gläubigern, Begleitung und Umsetzung der beschlossenen Schritte fort. Aus den vorgelegten Verträgen und Unterlagen ergab sich aber nicht, dass die Beratungsvergütungen von der Erreichung eines bestimmten Erfolgs abhängig waren. Deshalb stufte das Gericht die fortlaufend berechneten Vergütungen nicht als erfolgsneutrale Abschlagszahlungen ein.





Handlungsempfehlung:





Die Frage des Zeitpunktes der Gewinnrealisierung kann bei solchen langfristigen Dienstleistungen nur anhand der konkreten vertraglichen Abreden im Einzelfall beurteilt werden. Insoweit sind eine sorgfältige Prüfung und ggf. auch Vertragsgestaltung anzuraten. Neben bilanziellen/steuerlichen Aspekten sind aber auch zivilrechtliche Aspekte zu beachten, so z.B. die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein endgültiger Vergütungsanspruch gegenüber dem Kunden besteht.


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