Allgemein

Zum Kindergeldanspruch eines minderjährigen Kindes bei mehr als einjährigem Schulbesuch außerhalb des Gebiets der EU und des EWR

30. September 2022


Ein Kindergeldanspruch setzt einen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im EU-/EWR-Raum voraus. Dies war im Streitfall fraglich, da die Kinder zum Schulbesuch in ein Land außerhalb des Gebiets der EU und des EWR zogen.





Konkret war der Kindergeldanspruch für den Zeitraum September 2015 bis einschließlich Mai 2017 streitig. Der Stpfl. ist der Vater von zwei im Oktober 2006 und im August 2008 geborenen Kindern. Eltern und Kinder sind deutsche Staatsangehörige. Die Familie lebte zunächst in Deutschland. Die Kinder besuchten den Kindergarten und zunächst auch die Grundschule in Deutschland. Damit die Kinder die arabische Sprache lernten, sollten sie im streitbefangenen Zeitraum bei ihren Großeltern in Z-Land leben und dort zur Schule gehen. Anfang September 2015 reisten die Kinder aus Deutschland aus. Die Mutter der Kinder begleitete diese nach Z-Land. Mutter und Kinder hielten sich in diesem Zeitraum größtenteils in Z-Land auf, unterbrochen durch einzelne Zeiten in Deutschland.





Im September 2015 gab der Stpfl. die bisher mit der Familie bewohnte Wohnung auf und verzog in eine nur etwa 200 Meter entfernte Wohnung. Im Juni 2017 kehrten die Kinder nach Deutschland zurück und nahmen den Schulbesuch wieder auf. Die Familie zog in eine wiederum in unmittelbarer Nähe befindliche Wohnung ein.





Am 26.1.2016 beantragte der Stpfl. Kindergeld, wobei er als Adresse der Kinder die Anschrift der Großeltern in Z-Land angab. Die Familienkasse lehnte die Anträge ab, da der Wohnsitz der Kinder nicht in Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) liege.





Hierzu stellt nun der BFH mit Urteil vom 28.4.2022 (Az. III R 12/20) fest, dass





–  wenn sich ein zunächst im Inland wohnhaftes minderjähriges Kind zu Ausbildungszwecken für mehr als ein Jahr außerhalb des Gebiets der EU und des EWR aufhält, es seinen Inlandswohnsitz in der Wohnung eines oder beider Elternteile nur dann beibehält, wenn ihm in dieser Wohnung zum dauerhaften Wohnen geeignete Räume zur Verfügung stehen, es diese objektiv jederzeit nutzen kann und tatsächlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch nutzt.





–  Eine Beibehaltung des Inlandswohnsitzes kommt dabei im Regelfall nur dann in Betracht, wenn das Kind diese Wohnung zumindest zum überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeiten tatsächlich nutzt.





Vorliegend konnte der BFH den Streitfall nicht abschließend entscheiden, da das FG zu diesen Fragen teilweise keine Feststellungen getroffen hatte. Dies muss nun nachgeholt werden. Insbesondere ist nun festzustellen, ob die Kinder die ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend im Inland verbracht haben. Ferner ist festzustellen, ob die Kinder während des Streitzeitraums soziale oder persönliche Beziehungen am bisherigen Wohnort aufrechterhalten und bei ihren Inlandsaufenthalten weiter gepflegt haben.





Handlungsempfehlung:





In solchen Fällen ist sorgfältig zu dokumentieren, in welchen Zeiten sich die Kinder im Inland aufgehalten haben, inwiefern für die Kinder zum dauerhaften Wohnen geeignete Räume vorhanden waren und inwiefern diese ihre sozialen oder persönlichen Beziehungen am bisherigen Wohnort aufrechterhalten und bei ihren Inlandsaufenthalten weiter gepflegt haben.


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