Mit Urteil vom 25.9.2024 (Az. II R 49/22) hat der BFH zur Frage der Ableitung des gemeinen Werts von Kapitalgesellschaftsanteilen aus Verkäufen unter fremden Dritten entschieden,
– dass sich der gemeine Wert eines nicht börsennotierten Anteils an einer Kapitalgesellschaft (im Streitfall: einer GmbH) nur dann nach § 11 Abs. 2 Satz 2 des BewG aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ableiten lässt, wenn die Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt, der die marktwirtschaftlichen Grundsätze von Angebot und Nachfrage vollzieht. Ob dies der Fall ist, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls.
– Ein über die Jahre gleichbleibender pauschaler Holdingabschlag sei bei der Ableitung des gemeinen Werts eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft nicht zu berücksichtigen, wenn er nicht auf der konkreten Beschaffenheit des Wirtschaftsguts beruht und nicht auszuschließen ist, dass mit diesem auch persönliche Verfügungsbeschränkungen des Anteilsinhabers abgegolten werden sollen.
Im konkreten Streitfall sahen die spezifischen gesellschaftsvertraglichen Regelungen vor, dass Verfügungen über Gesellschaftsanteile an der GmbH nur nach vorheriger Zustimmung eines dafür beauftragten Gesellschafters erfolgen konnten. Die Zustimmung durfte nur erteilt werden, wenn die Anteile an bestimmte Personen, insbesondere Abkömmlinge der Firmengründer, deren Ehegatten, den Abkömmlingen gleichgestellte Personen sowie bestimmten Gesellschaften und Stiftungen übertragen werden sollten. Die Veräußerung an sonstige Erwerber setzte außerdem voraus, dass sämtliche Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat nach vorheriger Beratung im Beirat die Verfügung im besonderen Einzelfall befürworteten. Nach diesen Regelungen sollte für Verkäufe von Geschäftsanteilen grundsätzlich der von der (Zentralabteilung Steuern der) GmbH ermittelte gemeine Wert i.S.d. § 11 BewG maßgebend sein. Bei dieser Berechnung wurde von der GmbH ein Marktwertabschlag von 20 % vorgenommen („Holding Discount“ oder Holdingabschlag), den die FinVerw allerdings nicht anerkannte – und stattdessen auf den nach ihrer Berechnung höheren Substanzwert der GmbH abstellte.
Während das FG Düsseldorf als Vorinstanz der Klage stattgegeben und den Holdingabschlag akzeptiert hat, hat der BFH diesen Abschlag mit folgenden Überlegungen verworfen:
– Gegen eine Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr spreche es z.B., wenn bei der Veräußerung von Anteilen i.d.R. eine bestimmte Reihenfolge bei den Personen einzuhalten ist, denen die Anteile zum Kauf angeboten wurden.
– Ein solches Vorgehen schließe es aus, dass sich bei mehreren Interessenten der Preis auf Grund der dann höheren Nachfrage erhöht und sich damit ein Preis in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage bildet.
– Zudem habe es in der Hand des beauftragten Gesellschafters gelegen, bei einer preislichen Abweichung von dem von der GmbH ermittelten Wert eine Ausnahme zuzulassen und die Zustimmung zur Veräußerung zu erteilen. Im gewöhnlichen Geschäftsverkehr von Anteilen zwischen fremden Dritten würden solche Preisbeschränkungen nicht existieren.
– Gegen eine freie Preisbildung bei den im Sachverhalt beobachteten Verkaufsfällen spreche zudem, dass die Verkaufspreise innerhalb eines bestimmten Zeitraums tatsächlich stets dieselben gewesen seien.
– Und schließlich sei auch die Annahme eines gleichbleibenden Holdingabschlags im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gerade nicht festzustellen.
Hinweis:
Auch mit diesem überaus praxisrelevanten Urteil hat der BFH die Auffassung der FinVerw bestätigt, wonach der Substanzwert bei Verkäufen unter fremden Dritten nicht als Mindestwert zum Zuge kommen soll. Zudem hat der BFH sehr überzeugend aufgezeigt, dass die Wertfindung im konkreten Streitfall gerade nicht derjenigen vergleichbar war, die „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr“ üblich ist. In einschlägigen Praxisfällen sollten daher Regelungen gefunden werden, die einer „freien Preisbildung“ zumindest nahekommen. Der Anschein, dass eine im Ermessen der Mitgesellschafter stehende Preisbeschränkung möglich sein könnte, sollte vermieden werden. Stattdessen könnten im Einzelfall Gestaltungen geprüft werden, bei denen die Preisbildung dadurch beeinflusst wird, dass mit veräußerten Anteilen (ggf. vorübergehend) geringere Rechte verbunden sein sollen.
Explizit offen gelassen hat der BFH i.Ü. die Frage, ob auch solche Personen als fremde Dritte anzusehen sind, die nicht in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind.