In der Praxis kommt es häufig vor, dass sich Ärzte zusammenschließen, um z.B. teure medizinische Apparate, Personal oder eine IT-Infrastruktur gemeinsam zu nutzen. Für solche Fälle hält das Umsatzsteuerrecht eine spezielle Regelung bereit, die sicherstellt, dass die Zurverfügungstellung der gemeinsamen Apparate oder Leistungen an die einzelnen Ärzte nicht mit Umsatzsteuer belastet wird, was letztlich auf Grund der umsatzsteuerfreien Leistung der Ärzte verbunden mit der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerabzugs zu einer steuerlichen Mehrbelastung führen würde.
Der BFH hat insoweit nun eine für die Praxis wichtige weite Auslegung dieser Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift vorgenommen. Im Streitfall hatten zwei Ärzte eine Praxisgemeinschaft zur gemeinsamen Nutzung von Praxisräumen, -einrichtungen und Personal errichtet. Zur Deckung der Kosten leisten die Gemeinschafter monatliche Beiträge. Die Praxisgemeinschaft fungiert als „reine Kostengemeinschaft“ und sollte keine Gewinne erwirtschaften. Die Geschäftsführung der Praxisgemeinschaft übte allein der Arzt A aus, welcher hierfür von der Praxisgemeinschaft auch eine Vergütung erhielt. Die Praxisgemeinschaft schloss mehrere Verträge mit Dritten im eigenen Namen ab, u.a. mit einer Reinigungskraft. Die Ärzte, welche ihre – umsatzsteuerfreie – Tätigkeit in eigenem Namen und auf eigene Rechnung ausübten, erhielten von der Praxisgemeinschaft Personaldienstleistungen. Diese sah das Finanzamt als umsatzsteuerpflichtig an, soweit sie nicht unmittelbar für steuerfreie Heilbehandlungen verwendet worden seien. Sowohl die Geschäftsführungsleistung des A als auch Reinigungsleistungen, welche die Praxisgemeinschaft durch die bei ihr beschäftigte Reinigungskraft an ihre Gemeinschafter erbrachte, wollte die FinVerw der Umsatzsteuer unterwerfen.
Der BFH hat nun aber mit Beschluss vom 4.9.2024 (Az. XI R 37/21) bestätigt, dass die Leistungen der Praxisgemeinschaft an die Ärzte insgesamt steuerfrei sind. Dies gelte insbesondere auch für die erbrachten Reinigungsleistungen. Damit entscheidet der BFH gegen die Ansicht der FinVerw, welche insoweit die Umsatzsteuerbefreiung versagen wollte, weil diese Leistungen nur mittelbar der Ausführung von nichtsteuerbaren oder steuerfreien Umsätzen der Mitglieder dienten. Nach dieser Entscheidung dürften aber allgemeine Verwaltungsleistungen insgesamt unter die Steuerbefreiung fallen.
Zum Hintergrund: Nach den Vorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie und der diesbezüglichen nationalen Regelung gibt es eine spezielle Steuerbefreiung für die Leistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder. Nach dieser Vorschrift sind die von selbständigen Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder erbrachten Dienstleistungen umsatzsteuerfrei, wenn sie unmittelbar zur Ausübung von Tätigkeiten beitragen, die dem Gemeinwohl dienen und selbst von der Umsatzsteuer befreit sind. Voraussetzung ist, dass diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern und dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Dies betrifft insbesondere auch solche Zusammenschlüsse, die tätig werden gegenüber Ärzten und sonstigen Heilberuflern, die steuerbefreite Leistungen erbringen. Zur Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung muss der Zusammenschluss seine Leistungen an ein Mitglied oder mehrere seiner Mitglieder bewirken. Daneben können von dem Zusammenschluss auch Leistungen an Nichtmitglieder des Zusammenschlusses erbracht werden, welche dann allerdings nicht unter die Steuerbefreiung fallen.
Handlungsempfehlung:
Diese Steuerbefreiung ist in der Praxis von großer Bedeutung. Im Einzelfall bedarf dies einer sorgfältigen Ausgestaltung des jeweiligen Einzelfalles. Hierzu sollte stets steuerlicher Rat eingeholt werden.