Aktuell erfolgt die Feststellung der Grundsteuerwerte, welche ab 2025 Basis für die Festsetzung der Grundsteuer sind. Im Bundesmodell, welches in den meisten Bundesländern Anwendung findet, erfolgt die Bewertung der Immobilien nach einem sehr stark pauschalierten Verfahren, welches individuelle Wertfaktoren grundsätzlich nicht berücksichtigt. Dies hat den Vorteil, dass die Bewertung vergleichsweise „einfach“ ist, birgt aber die Gefahr, dass im Einzelfall eine deutliche Überbewertung erfolgt, weil z.B. eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks oder ein schlechter baulicher Zustand der Immobilie nicht berücksichtigt werden.
Der BFH bestätigt nun in dem Beschluss vom 27.5.2024 (Az. II B 78/23), dass dann, wenn der Nachweis erbracht wird, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit den festgestellten Grundsteuerwert derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist, eine Aussetzung der Vollziehung der Grundsteuerwertfeststellung geboten ist. In diesen Fällen ist bei der gebotenen summarischen Prüfung das Bewertungsgesetz verfassungskonform dahin auszulegen, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann.
Im Streitfall geht es um ein Grundstück, welches mit einem im Jahr 1880 erbauten Haus bebaut ist und seit dem Baujahr offensichtlich keine wesentlichen Renovierungen vorgenommen worden sind. Damit führt die pauschalierte Bewertung der Immobilie nach den Regeln des Bewertungsgesetzes zu einem deutlich über dem Verkehrswert liegenden Wertansatz.
Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grundsteuerwertbescheids ergeben sich daraus, dass dem Stpfl. bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden muss, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Von einer solchen Übermaßbesteuerung ist nach der bisherigen Rechtsprechung auszugehen, wenn der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt. Eine abweichende Wertfeststellung sieht die aktuelle Gesetzesfassung aber gerade nicht vor. Die Aussetzung der Vollziehung beruht nach Auffassung des Gerichts aber nicht auf verfassungsrechtlichen Zweifeln. Diese Rechtsfragen hat das Gericht ausdrücklich offengelassen. Vielmehr beruht die Aussetzung auf der Rechtsprechung, wonach im Einzelfall auch dann der Nachweis eines niedrigeren Wertes möglich ist, wenn ein pauschalierendes und typisierendes Bewertungsverfahren nach dem Bewertungsgesetz dies eigentlich nicht zulässt.
Hinweis:
Diese nun vorliegende Rechtsprechung betrifft allerdings lediglich die Frage der Aussetzung der Vollziehung, beruht also nur auf einer summarischen Prüfung der Rechtslage. Eine endgültige Prüfung erfolgt erst in dem nachfolgenden Hauptsacheverfahren und muss insoweit abgewartet werden.
Handlungsempfehlung:
In vergleichbaren Fällen, bei denen individuelle Wertfaktoren zu einem deutlich niedrigeren Wertansatz führen als nach den pauschalierenden Vorgaben des Bewertungsgesetzes, sollte gegen Grundsteuerwertfestsetzungen der Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Der tatsächlich anzusetzende Wert muss ausreichend nachgewiesen werden.