Die steuermindernde Berücksichtigung von Darlehensverlusten oder Bürgschaftsinanspruchnahmen (nach alter Rechtslage sog. nachträgliche Anschaffungskosten) bei insolventen GmbH auf der Ebene der GmbH-Gesellschafter ist (schon auf Grund der Änderungen in Rechtsprechung und EStG) ein „Dauerbrenner“ in der steuerlichen Beratung. Zu dieser Problematik hat der BFH mit seinem Urteil v. 20.2.2024 (Az. IX R 12/23) (zum Ausfall von Darlehen im Zusammenhang mit der Auflösung einer Kapitalgesellschaft) u.a. folgende Feststellungen getroffen:
– Die Existenz des Wahlrechts des Stpfl., auch für Veräußerungen vor dem 31.7.2019 rückwirkend die Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG in Anspruch zu nehmen, lasse die vom BFH in 2017 angeordnete befristete Fortgeltung der herkömmlichen Rechtsgrundsätze zur Behandlung von (ehemals) eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen im Rahmen des § 17 EStG nicht entfallen.
– Stpfl. könnten im Fall der Nichtausübung dieses Wahlrechts nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG nicht auf die Anwendung dieser vom BFH formulierten Fortgeltungsanordnung verzichten.
Im konkreten Urteilsfall war über das Vermögen einer GmbH in 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden, der zuvor noch vom Gesellschafter Darlehen gewährt worden waren; zudem verbürgte sich der Gesellschafter. Der Insolvenzverwalter teilte in 2022 mit, dass nicht damit zu rechnen sei, dass an den Stpfl. im Rahmen des Insolvenzverfahrens noch Zahlungen geleistet werden würden. Der Stpfl. machte daher für 2016 (Streitjahr) Verluste nach § 17 EStG geltend und berücksichtigte dabei den Ausfall der Rückzahlungsansprüche aus den Darlehen. Das FA wollte hingegen nur den Stammkapitalverlust berücksichtigen. Das FG hingegen ordnete diesen Verlust bereits im Streitjahr 2016 dem § 17 EStG und den Verlust aus dem Ausfall von Darlehensforderungen den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG zu.
Der BFH hat aktuell die Entscheidung des FG aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung wie folgt zurückverwiesen:
– Ein Auflösungsverlust stehe fest, wenn der gemeine Wert des dem Stpfl. zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) feststehen. Im Streitfall habe daher der Verlust des Stpfl. aus seiner Beteiligung an der GmbH im Streitjahr bereits festgestanden.
– Der Gesetzgeber habe in § 17 Abs. 2a EStG eine Definition der Anschaffungskosten von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.v. § 17 EStG in Anlehnung an § 255 HGB aufgenommen. § 17 Abs. 2a EStG ist nach § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG erstmals für Veräußerungen i.S.v. § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG nach dem 31.7.2019 anzuwenden. Auf Antrag des Stpfl. ist § 17 Abs. 2a Satz 1 bis 4 EStG nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG auch für Veräußerungen vor diesem Datum anzuwenden.
– Dieses Wahlrecht aus § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG trete neben die von der BFH-Rechtsprechung vom 11.7.2017 ausgesprochene zeitlich befristete Fortgeltung der alten Rechtsgrundsätze.
– Werde – wie im Streitfall – ein solcher Antrag nicht gestellt, dann seien diese bislang gültigen Rechtsprechungsgrundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils (27.9.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist. Dem stehe nicht entgegen, dass es im Einzelfall für den Stpfl. günstiger sein könnte, auf die Fortgeltung der bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen zu verzichten.
Hinweis:
Das FG wird also zunächst ermitteln müssen, wann der Eintritt der Krise der GmbH erfolgt ist. Sollte die Krise vor der Gewährung der streitgegenständlichen Darlehen eingetreten sein, dann wären diese als krisenbedingte Darlehen mit ihrem Nennbetrag als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften aus § 17 EStG zu berücksichtigen. In der Beratungspraxis sollte daher in einschlägigen Sachverhalten in jedem Fall auch die Möglichkeit einer steuerlichen Berücksichtigung entsprechender Verluste gem. § 20 EStG geprüft werden. Denn die Ausübung des gesetzlichen Wahlrechts könnte im Einzelfall steuerliche Vorteile mit sich bringen.