Die Ermittlung des richtigen Umsatzsteuersatzes oder die Anwendbarkeit einer Steuerbefreiungsvorschrift kann mitunter schwer zu beurteilen sein. Unterlaufen hierbei Fehler, stellt sich die Frage, ob im Nachhinein eine Berichtigung möglich ist. Insoweit ist zu beachten, dass der Unternehmer grds. die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet, auch wenn die ausgewiesene Umsatzsteuer zu hoch berechnet ist. Gegenüber Unternehmern als Leistungsempfängern kann ggf. eine Berichtigung der ausgestellten Leistung erfolgen. Gegenüber Endverbrauchern ist dies regelmäßig nicht möglich. Über einen Fall der Abrechnung gegenüber Endverbrauchern hatte der EuGH zu entscheiden. Es ging um einen Unternehmer in Österreich, der in einer Vielzahl an Kassenzetteln (Kleinbetragsrechnungen) gegenüber Endverbrauchern eine zu hohe Umsatzsteuer ausgewiesen hatte. Nachdem der Unternehmer den Irrtum bemerkt hatte, berichtigte er die Umsatzsteuererklärung. Der EuGH hatte diese Vorgehensweise mit Entscheidung vom 8.12.2022 (Rs. C-378/21) bestätigt. Die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet der Unternehmer dann nicht, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt. Bei Leistungserbringung an Endverbraucher ist dies nicht gegeben, da diese nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.
Das BMF hat nun mit Schreiben vom 27.2.2024 (Az. III C 2 – S 7282/19/10001 :002) zur Anwendung dieser Rechtsprechung vor dem Hintergrund der anderslautenden nationalen Regelung, welche grds. auch bei einem unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis in einer Rechnung eine Steuerschuld fingiert, und der bisherigen Ansicht der FinVerw wie folgt Stellung genommen:
– Wenn ein Unternehmer eine Leistung tatsächlich ausgeführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher gestellt hat, entsteht keine Steuer. Das gilt entsprechend für einen unberechtigten Steuerausweis durch Kleinunternehmer. Insoweit ist die anderslautende nationale Regelung unionsrechtskonform einschränkend auszulegen.
– Die Grundsätze des EuGH-Urteils sind jedoch auf die übrigen Fälle eines unberechtigten oder falschen Steuerausweises nicht anzuwenden, insbesondere also nicht bei einer Rechnungsstellung gegenüber einem Unternehmer. Auch bei einem unberechtigten Steuerausweis durch einen Unternehmer außerhalb seines unternehmerischen Bereichs, durch einen Nichtunternehmer oder in Fällen ohne eine Leistungserbringung wird die Steuer weiterhin geschuldet.
– Ist das EuGH-Urteil grundsätzlich anzuwenden, ist zusätzlich zu prüfen, ob auch hinsichtlich des Rechnungsempfängers die Voraussetzungen für die Nichtanwendung der an sich gesetzlich fingierten Steuerschuld bei Ausweis von Mehrwertsteuer in einer Rechnung vorliegen. Es muss sich um „Endverbraucher“ handeln; das sind Nichtunternehmer und Unternehmer, die nicht als solche handeln (z.B. Vereine oder juristische Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit). Daher entsteht die Steuer nach der gesetzlichen Regelung auch dann, wenn die Rechnung z.B. an einen Kleinunternehmer, einen pauschalierenden Land- und Forstwirt oder einen Unternehmer mit Ausgangsumsätzen, die den Vorsteuerabzug ganz oder teilweise ausschließen, erteilt worden ist. Insoweit muss der Unternehmer glaubhaft machen, dass der Leistungsempfänger ein Endverbraucher ist.
– In Mischfällen, in denen gleiche Leistungen betreffende Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis sowohl an Endverbraucher als auch an Unternehmer für deren unternehmerischen Bereich erteilt wurden, sind die Grundsätze des EuGH-Urteils nur bezüglich der durch den Unternehmer belegten Rechnungserteilung an Endverbraucher anzuwenden.
– Bei der Beurteilung, ob der Leistungsbezieher als Endverbraucher gehandelt hat und daher keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, kann die Art der Leistung berücksichtigt werden.
– Soweit die Grundsätze des EuGH-Urteil anzuwenden sind, ist eine Rechnungsberichtigung nicht erforderlich.
Handlungsempfehlung:
In solchen Fällen ist also eine Korrektur der zu hoch in Rechnung gestellten Umsatzsteuer möglich. Soweit auch Rechnungen an Unternehmer erfolgten und eine Rechnungsberichtigung nicht erfolgte, schuldet der leistende Unternehmer insoweit die zu hoch ausgewiesene Steuer. Insoweit muss der Unternehmer ggf. eine Schätzung vorlegen, welcher Teil der Leistungen definitiv an Endverbraucher erbracht wurde und welcher Teil an Unternehmer.