Für GmbH-Gesellschafter und GmbH- Geschäftsführer

Organschaft und atypisch stille Beteiligung

26. Juni 2025


Die in der Praxis weit verbreitete Gestaltung der körperschaftsteuerlichen Organschaft setzt u.a. den Abschluss eines sog. Gewinn- oder Ergebnisabführungsvertrags (mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren) voraus, auf dessen Grundlage sich die Organgesellschaft verpflichtet, „ihren gesamten Gewinn […] abzuführen“ (so das gesetzliche Erfordernis gem. § 15 KStG).





Vor diesem Hintergrund sind nun zwei aktuelle Urteile des BFH vom 11.12.2024 (Az. I R 33/22 und I R 17/21) zu sehen, mit dem der BFH zu den Voraussetzungen der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft entschieden hat,





–  dass eine Kapitalgesellschaft auch dann Organgesellschaft im Rahmen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft sein kann, wenn an ihr eine atypisch stille Beteiligung besteht, weil sie ihren – unter Berücksichtigung der Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters ermittelten – handelsrechtlichen Jahresüberschuss als „ganzen Gewinn“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG an den Organträger abführen kann.





Im Streitfall unter dem Az. I R 33/22 hatte die FinVerw im Zuge einer Außenprüfung die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft nicht vorgelegen hätten, weil eine GmbH, an der eine atypisch stille Beteiligung bestehe, nicht Organgesellschaft sein könne. Das FG Mecklenburg-Vorpommern bestätigte diese Auffassung, weil in Folge der atypisch stillen Beteiligung nicht der „ganze Gewinn“ an den vermeintlichen Organträger abgeführt worden sei.





Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz nun aber aufgehoben und entschieden, dass die Organschaft sehr wohl anzuerkennen ist und auch keine vGA wegen der auf Grund des Ergebnisabführungsvertrags erfolgten Gewinnabführungen angesetzt werden dürfen:





–  Ob der gesetzlich geforderten Verpflichtung zur Abführung des „ganzen Gewinns“ auch dann entsprochen werde, wenn an der Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung besteht, die mit einer Gewinnzuweisung an den stillen Gesellschafter verbunden ist, sei in Finanzgerichtsrechtsprechung, Literatur und von Verwaltungsseite unterschiedlich beurteilt worden. Der BFH habe in seiner Rechtsprechung die Streitfrage bislang noch nicht abschließend beantwortet.





–  Der überwiegende Teil des Schrifttums gehe davon aus, dass auch bei Bestehen einer atypisch stillen Beteiligung an der Organgesellschaft der „ganze Gewinn“ abgeführt wird, da die in § 14 KStG erwähnte Gewinnabführung nach zivilrechtlichen Maßstäben zu bestimmen sei. Und im handelsrechtlichen Jahresabschluss der Organgesellschaft werde die Gewinnbeteiligung des (atypisch) stillen Gesellschafters als Aufwand bilanziert. Der nach dem Abzug dieses Aufwands ausgewiesene Gewinn sei damit der „ganze Gewinn“, der der Abführungspflicht unterliege.





–  Aus der Maßgeblichkeit des handelsrechtlichen Jahresüberschusses folge, dass auch die Gewinnermittlung im Einzelnen handelsrechtlichen Vorgaben zu folgen hat.





Diese Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung hat nach Feststellung des BFH zur Folge, dass der Gewinnanteil des (atypisch) still Beteiligten als Aufwand (Abführungsverpflichtung aus einem Teilgewinnabführungsvertrag i.S.d. § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) zu erfassen ist, der den abzuführenden Jahresüberschuss mindert. Der danach verbleibende Gewinn ist als „ganzer Gewinn“ anzusehen, der zum Gegenstand eines auf Gesamtgewinnabführung gerichteten Unternehmensvertrags gemacht wird. Gegenstand der Abführungsverpflichtung – auch für steuerrechtliche Zwecke – ist somit der handelsrechtliche Jahresüberschuss und nicht der steuerrechtlich ermittelte Gewinn.





Im konkreten Streitfall unter dem Az. I R 17/21 hat der BFH die „Unschädlichkeit“ atypisch stiller Beteiligungen ebenfalls bestätigt, und zwar teilweise inhaltsgleich mit der vorgenannten Entscheidung (unter dem Az. I R 33/22). Die Besonderheit im Fall I R 17/21 lag darin, dass ein Beratungsunternehmen (eine GmbH) geklagt hatte, das über viele eigene Niederlassungen verfügte, wobei an den Niederlassungen atypisch stille Gesellschaften mit einem oder mehreren beteiligten Partnern, die als Berater die jeweilige Niederlassung leiteten und/oder dort Beratungsleistungen erbrachten, bestanden hatten. Zu dieser Konstellation hat der BFH entschieden,





–  dass auch dann, wenn unabhängig voneinander mehrere atypisch stille Beteiligungen jeweils (nur) an verschiedenen Niederlassungen einer Kapitalgesellschaft bestehen würden (sog. Tracking-Stock-Struktur), diese Kapitalgesellschaft grundsätzlich Organträger einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft sein könnte. In dieser Konstellation ist der Organträger-GmbH ein selbständiger Geschäftsbereich verblieben, an dem weder zivilrechtlich noch ertragsteuerrechtlich andere Personen beteiligt seien. Auch die Gewinnabführungen der Organgesellschaft hätten allein der GmbH zugestanden, die atypisch stillen Gesellschafter seien daran nicht beteiligt gewesen. Zudem sei allein die GmbH die Vertragspartnerin des Gewinnabführungsvertrages gewesen. Ob dies auch dann gilt, wenn die atypisch stille Beteiligung am gesamten Geschäftsbetrieb der Organträger-GmbH besteht, konnte der BFH im Streitfall offenlassen.





Hinweis:





Mit diesen beiden Entscheidungen hat der BFH – auf der Basis einer sehr klaren Ableitung aus einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise – die steuerrechtlich umstrittene Frage erstmals verneint, ob atypisch stille Beteiligungen an einer abführungspflichtigen Kapitalgesellschaft steuerrechtlich grundsätzlich als „organschaftsschädlich“ betrachtet werden müssen. Wenn in der Fachwelt einhellig die Auffassung vertreten wird, dass Zahlungen der abführungspflichtigen GmbH an den an ihr typisch still beteiligten Gesellschafter als Betriebsausgabe zu behandeln sind, als solche den Gewinn mindern und der hiernach verbleibende Gewinn als der „ganze Gewinn“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zu betrachten ist, dann kann nach Auffassung des BFH für Zahlungen auf Grund von atypisch stillen Beteiligungen nichts anderes gelten.


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