Das Niedersächsische FG hat mit Urteil vom 29.5.2024 (Az. 3 K 36/24) entschieden, dass eine teilentgeltliche Übertragung einer Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten nicht – und auch nicht anteilig – als privates Veräußerungsgeschäft einzustufen ist.
Im Streitfall hatte der Stpfl. im Jahr 2014 ein bebautes Grundstück für insgesamt 143 950 € erworben und anschließend (weiter) vermietet. Er erzielte insoweit Vermietungseinkünfte. Einen Teil des Erwerbs hatte er durch ein Bankdarlehen finanziert. Anfang März 2019 übertrug der Stpfl. diese Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter. Das Bankdarlehen valutierte noch mit 115 000 €. Die Tochter übernahm diese Verpflichtung im Rahmen der Übertragung und finanzierte diese anderweitig. Beim Notar gaben die Vertragsparteien den aktuellen Verkehrswert der Immobilie – wegen der Notarkosten – mit 210 000 € an.
Das Finanzamt sah insoweit ein „privates Veräußerungsgeschäft“. Die Übertragung sei in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Vorgang aufzuteilen. Es ergebe sich ein entgeltlicher Teil von 54,76 %, nämlich 115 000 € (übernommene Verbindlichkeit) zu 210 000 € (Wert der Immobilie). Entsprechend errechnete das Finanzamt folgenden Veräußerungsgewinn, der der Einkommensteuer unterliegen sollte:
Veräußerungserlös | 115 000 € |
./. Anschaffungskosten (143 950 € x 54,76 %) | 78 828 € |
zzgl. AfA 2014–2019 (12 185 € x 54,76 %) | 6 672 € |
./. Vorfälligkeitsentschädigung (4 000 € x 54,76 %) | 2 191 € |
Veräußerungsgewinn | 40 653 € |
Das FG hat diese Sichtweise des Finanzamtes aber abgelehnt und einen insgesamt unentgeltlichen Vorgang gesehen, so dass nicht etwa ein Veräußerungsgeschäft anzunehmen sei.
Für entscheidend hält das FG, dass Steuergegenstand der steuerlichen Erfassung privater Veräußerungsgeschäfte sei, realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen zu erfassen, soweit zwischen Erwerb und Veräußerung bei Gebäuden eine Zeitspanne von weniger als zehn Jahren liegt. Bei Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge – jedenfalls unterhalb der historischen Anschaffungskosten wie im Streitfall – könne es aber zu keinem „realisierten Wertzuwachs“ kommen, der der ertragsteuerlichen Besteuerung zugänglich ist. Anderenfalls unterläge ein fiktiver steuerlicher Ertrag, nämlich aus einem reinen Vermögenstransfer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge als Anknüpfungspunkt (steuerliches Substrat) – hier unter nahen Angehörigen – ohne einen positiven Cashflow beim Übertragenden zusätzlich der Ertragsteuer. Zugleich entstünde eine tatsächliche Doppelbesteuerung des identischen Sachverhaltes (steuerlichen Substrats) einerseits in der Ertragsteuer als „privates Veräußerungsgeschäft“ und andererseits bei der Schenkungsteuer als „gemischte Schenkung“ vom Vater an seine Tochter. Tatsächlich realisierte der „Schenker“ gar keinen tatsächlichen Wertzuwachs.
Hinweis:
Nun ist gegen diese Entscheidung allerdings unter dem Az. IX R 17/24 die Revision beim BFH anhängig, so dass die Klärung dieser Frage letztlich durch den BFH erfolgt. In der Praxis ist insoweit also Vorsicht geboten.