Mit zwei inhaltsgleichen Urteilen v. 10.4.2024 (Az. II R 22/21 und II R 23/21) hat der BFH zum schenkungsteuerlichen Begriff der Leistung i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG entschieden,
– dass Leistung jedes Tun, Dulden oder Unterlassen ist, das die Hingabe von Vermögen bewirkt. Auch die Abtretung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft an diese selbst erfülle den Leistungsbegriff.
– Die erbschaftsteuerliche Norm des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiere eine Schenkung. Dabei sei die Freigebigkeit der Leistung an die Gesellschaft anders als beim Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht Voraussetzung für die Steuerbarkeit.
– Die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG sei nach den Regeln des § 11 des Bewertungsgesetzes zu ermitteln. Dazu sei der gemeine Wert des Anteils des Bedachten vor der Leistung an die Gesellschaft mit dem gemeinen Wert dieses Anteils nach der Leistung zu vergleichen.
In beiden konkreten Streitfällen war – verkürzt dargestellt – das Vorliegen einer Schenkung in Gestalt der Werterhöhung der Anteile einer Kapitalgesellschaft strittig. Der Stpfl., seine Kinder, sein Bruder A und dessen Kinder sowie sein Bruder B und dessen Kinder waren Erben der D zu je 1/10. Zum Nachlass gehörte ein Geschäftsanteil mit dem Nennbetrag von 9 000 € an der T GmbH, deren Stammkapital 27 000 € betrug. Die übrigen Geschäftsanteile hielt die H KG, an der neben einer Komplementärin ohne vermögensmäßige Beteiligung der Stpfl. und seine beiden Brüder als Kommanditisten beteiligt waren. Mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 10.10.2013 veräußerten die Miterben gemeinschaftlich den durch Erbanfall erworbenen Anteil an der T GmbH zu einem Kaufpreis von 300 000 € an die T GmbH. Der Bestimmung des Kaufpreises lagen zwei Unternehmensbewertungen zum 31.12.2009 zu Grunde, auf Grund derer sich die Miterben auf einen Unternehmenswert der T GmbH von 1 000 000 € an diesem Stichtag geeinigt hatten.
Das Finanzamt stellte demgegenüber den Wert des veräußerten Geschäftsanteils auf den 10.10.2013 mit rd. 1,8 Mio. € fest. Auf Grund der Differenz zwischen dem festgestellten Wert und dem vereinbarten Kaufpreis ging das FA von Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG der nicht an der H KG beteiligten Miterben zu Gunsten der Kommanditisten der H KG aus und erließ entsprechende Bescheide. Das Sächsische FG wies die dagegen gerichtete Klage ab.
Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben, die Sache zurückverwiesen und hervorgehoben,
– dass nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gilt, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.
– § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiere eine Schenkung des an eine Kapitalgesellschaft Leistenden an den mittelbar oder unmittelbar beteiligten (Mit-)Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch die Leistung eine Werterhöhung erfährt. Eine objektive Unentgeltlichkeit der Leistung des Zuwendenden verlange diese Fiktionsnorm gerade nicht.
– Leistung i.S.d. Vorschrift sei grundsätzlich jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das die Hingabe von Vermögen des Zuwendenden bewirkt.
– Für den Streitfall erfülle die Anteilsabtretung durch die Miterben den Leistungsbegriff des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ungeachtet dessen, dass der Vorgang für die T GmbH einen Erwerb eigener Anteile darstellt.
– Die Höhe der Bereicherung richte sich in diesen Fällen auch bei einer mittelbaren Beteiligung an der Gesellschaft nach der Werterhöhung des Anteils des Bereicherten.
– Im konkreten Streitfall habe zum Zeitpunkt der Abtretung des Anteils ein deutliches Missverhältnis zwischen der Leistung der Miterben und der Gegenleistung der T GmbH bestanden.
Hinweis:
Im Ergebnis, so der BFH, sei maßgebend, ob am Stichtag eine Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft eingetreten ist; auf eine Realisation der Werterhöhung komme es nicht an. Das FG werde daher im nächsten Zug in jedem der beiden Verfahren Feststellungen dazu zu treffen haben, ob es nach den genannten Grundsätzen zu einer Werterhöhung der Gesellschaftsanteile i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gekommen ist.
Für die Praxis hervorzuheben ist, dass seit der Einführung dieses zusätzlichen Besteuerungstatbestands Ende 2011 nicht mehr nur zivilrechtliche Vermögensverschiebungen zwischen den Gesellschaftern einer GmbH erfasst werden, sondern auch Werterhöhungen, die durch Leistungen eines Gesellschafters an die GmbH erfolgt sind (z.B. disquotale Einlagen).